Brutale Landung des KSV

KSV HESSEN - FC INGOLSTADT 04 0:5 (0:3)
Nach 75 Minuten passierte ganz und gar Erstaunliches im Kasseler Auestadion. Aus dem Fanblock der Löwen schallte es: „Steht auf, wenn ihr Kass’ler seid!“ Und die unermüdlichen Unterstützer des KSV Hessen setzten sich durch: Beim zweiten Versuch erhoben sich die Besucher auf der Haupttribüne und spendeten ihrem Team Beifall. Trainer Matthias Hamann veranlasste diese Situation später zu der Bemerkung: „Die Fans waren überragend. Das war das Beste am Spiel.“
Die Unterstützung des Publikums nämlich bekam die Mannschaft im Augenblick der brutalen Landung in der Regionalliga-Realität. Beim erschreckenden 0:5 gegen den Mitaufsteiger FC Ingolstadt wurden dem KSV Hessen schmerzhaft die Grenzen aufgezeigt. Eine Situation, die Hamann irgendwie hatte kommen sehen: „Wir waren schon im Training pomadig. Einige fühlten sich wohl zu sicher. Heute haben wir gesehen, dass sich das nicht einschleichen darf.“

Für alle, die die Löwen nach dem glanzvollen Saisonauftakt mit 14 Punkten schon in oberen Regionalliga-Regionen gewähnt hatten, war es ein bitteres Erwachen. Eines, das Ängste weckt. „Wir dürfen uns jetzt vor allem nicht verrückt machen lassen“, sagte Torhüter Oliver Adler. Ähnliche Auftritte wie am Samstag darf der KSV sich dann allerdings nicht häufiger leisten.

Es war regelrecht hilflos, wie die Gastgeber sich gegen die überlegenen Gäste zu wehren versuchten. „Wir haben Situationen zugelassen, die hat es vorher nie gegeben“, ärgerte sich Hamann. Alles begann bereits in der 4. Minute. Römer hatte einen Pass in die Spitze gespielt, genau zwischen die Innenverteidiger Schönewolf und Klinger, die große Abstimmungsprobleme zeigten. Wohlfarth ging auf und davon und ließ Torhüter Adler keine Chance. Eine identische Situation führte wenig später zum 0:2 - diesmal hatte Horz seinen Stürmer bedient.

Die frühen Gegentore offenbarten die Tücken im System beim KSV. Hamanns Defensivstrategie funktioniert nur, wenn alle Rädchen ineinander greifen. Als seine Mannschaft angesichts des Rückstandes das Spiel öffnen musste, verlor sie völlig die Kontrolle. Riesige Lücken klafften nun im Defensivverband - gnadenlos ausgenutzt von Ingolstadt und dem zweifachen Torschützen Römer. Die Gastgeber dagegen brachten offensiv gar nichts zu Stande. Ihnen fehlte, und das könnte eines der Hauptprobleme der kommenden Wochen werden, die Fähigkeit, den Hebel umzulegen. Hamanns Auswechslungen gingen diesmal zudem gründlich daneben. Mit Gerov für Noutsos gab er das Mittelfeld preis - und damit den letzten spielerischen Ansatz.

Zu diesem Zeitpunkt war das allerdings nicht mehr entscheidend. Der KSV Hessen war längst äußerst schmerzhaft im Alltag angekommen.

Von Frank Ziemke
<i>HNA, Sportredaktion, 18.09.06</i>



<b>Hintergrund</b>
Höchste Pleite seit Wiederbeginn

Das 0:5 vom Samstag war die höchste Heimpleite der Löwen seit dem Wiederbeginn 1998. Vor zwei Jahren hieß 0:4 gegen den FSV Frankfurt . Die höchste Niederlage gab es 1962 beim 0:9 gegen den 1. FC Nürnberg . 1968 verlor der KSV gegen den FC Bayern Hof 0:6, und 1990 siegten die Stuttgarter Kickers 6:0 im Auestadion.

<i>HNA, Sportredaktion, 18.09.06</i>


<b>Die Spieler in der Einzelkritik</b>
Normalform? Fehlanzeige

Oliver Adler: Auch der Torhüter war unsicher. Kaum Rettungstaten und ein Patzer beim Herauslaufen vor dem 0:3.

Turgay Gölbasi: Begann auf der linken Seite schwach, steigerte sich aber und war so noch einer der besten Löwen.

Thorsten Schönewolf: Das Zusammenspiel mit Klinger klappte nicht. Kam oft einen Schritt zu spät. Und dann noch der Platzverweis - ein bitterer Tag für den Kapitän.

Mario Klinger: War noch gar nicht richtig im Spiel, da hatte sein Gegenspieler Wohlfarth bereits zweimal zugeschlagen. Fand keine Bindung zu seinen Nebenleuten. Ein ganz schwacher Auftritt.

Christoph Keim: Er kämpft. Okay. Aber er kämpfte meist vergeblich. Sah von seinen Gegenspielern oft nur die Hacken. Zudem viel zu überhastet, wenn er den Vorwärtsgang einschaltete.

Sebastian Busch: Viele verlorene Zweikämpfe, unter anderem vor dem Konter, der das 0:2 brachte. Wirkte phasenweise völlig kopflos.

Jan Fießer: Der Mittelfeldmann ist derzeit nur ein Schatten seiner ersten Auftritte. Vor allem sein Spiel nach vorne strotzt nur so vor Fehlern. Vor dem vierten Treffer schoss er auch noch einen Mitspieler an.

Daniel Beyer: Ein, zwei schöne Sololäufe, dazu eine starke Szene im Strafraum, als er sich freidrehte. Der Abschluss war dann aber mangelhaft. Kann mehr, war aber nicht so schlecht wie die anderen.

Saky Noutsos: Tauchte völlig ab, als er Verantwortung übernehmen musste. Kein Dirigent des Spiels. Auch wenn seine frühe Auswechslung angesichts seiner Stärke bei Standards verwunderte - da muss mehr kommen.

Martin Wagner: Vom linken Flügelmann kam erneut viel zu wenig.

Thorsten Bauer: Ist kaum zu beurteilen. Lief viel. Aber ohne Bälle kann ein Stürmer keine Leistung bringen.

Veselin Gerov: Kam zur Pause. Und man fragte sich 45 Minuten lang, warum. Tobias Oliev: Er bemüht sich. Doch der Sprung aus der Bezirksoberliga ist groß. Derzeit vielleicht noch zu groß.

Pascal Groß: Erst spät eingewechselt. Vielleicht zu spät. Groß versucht wenigstens, Linie ins Spiel zu bringen.
(frz)

<i>HNA, Sportredaktion, 18.09.06</i>

Veröffentlicht: 18.09.2006

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Datum des Ausdrucks: 26.04.2024