GebrĂŒll in der Halbzeit

GebrĂŒll in der Halbzeit

Serie - Die großen Spiele der Löwen (5)

Das Corona-Virus hat die Welt fest im Griff. Auch für den KSV Hessen steht das Leben fast still. Ob, wie und vor allem wann der Fußball in der Hessenliga fortgesetzt werden kann, steht in den Sternen. Einige Zeitgenossen vertreiben sich die Zeit damit, möglichst viele Klopapier-Päckchen in Supermärkten käuflich zu erwerben. Andere sortieren Ihre Versicherungsunterlagen oder widmen sich ihrer Briefmarkensammlung. Wir, vom Medienteam des KSV Hessen wollen die Zeit der Ruhe auf unserer Homepage sinnvoll nutzen. Wir wollen zurück blicken. Auf denkwürdige Spiel der Löwen. Auf große Ereignisse im Auestadion. Auf tolle Siege, fantastische Tore und schmerzhafte Niederlagen. KSV-Chronist Oliver Zehe hat in seinem Archiv gestöbert und stellt in den kommenden Wochen viele große Momente aus der Löwen-Geschichte vor. Im fünften Teil unserer kleinen Reihe, die jeden Mittwoch und jeden Sonntag erscheint, beschäftigen wir uns mit einem denkwürdigen Spiel aus dem Jahr 2002, dass dem KSV am Ende den Sprung in die damals viertklassige Hessenliga gesichert hat. 

Der 25. Mai ist einer dieser Tage, auf die man als Fußball-Fan schon Wochen vorher hingefiebert hat. Unruhiger Schlaf, klatschnasse Hände - das Saisonfinale steht an. Und wer hätte das gedacht - der KSV der schon abgeschlagen schien, hat doch noch die Chance auf den Aufstieg. Ach ja, wichtig - wir sind im Jahr 2002. Denn im Jahr 2006 gab es auch ein Saisonfinale an einem 25. Mai. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück ins Jahr 2002: Die Situation in der Landesliga Nord: auf Platz eins der KSV Hessen mit 70 Punkten, auf Platz zwei der FSC Lohfelden mit 68. Und wie es das Schicksal will, treffen genau diese beiden Teams am letzten Spieltag in Lohfelden aufeinander. Das der KSV oben steht, ist das Ergebnis einer phantastischen Aufholjagd. Mitte der Hinrunde hatten die Löwen schon zehn Punkte Rückstand auf Lohfelden. Doch dann kamen mit Andreas Mayer und Julio Cesar da Rosa die beiden Spieler, die offenbar vorher gefehlt haben. Die Lage ist klar. Mit einem Sieg oder Unentschieden hat der KSV den Aufstieg in die Oberliga Hessen geschafft. Mit einer Niederlage geht es in die Relegation. Das Ergebnis einer ganzen Saison also reduziert auf zweimal fünfundvierzig Minuten Fußball im Nordhessen-Stadion. 

Kühle Temperaturen, Nieselregel - Schönes Wetter im Mai sieht anders aus. Aber egal. Hier zählt nur das Unentschieden und der Aufstieg in die Oberliga Hessen. Knisternde Spannung, Nervosität. Eine Kulisse, wie sie Fußball-Nordhessen seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Fast 7.000 sind da. Um 15:02 ist es endlich soweit - es geht los. Und wie. Vierte Minute - Traumpass von Ahmet Kayacik auf Andreas Mayer, der rennt Bewacher Goce Malinov davon und spitzelt den Ball aus spitzen Winkel in die Maschen. Tooooooooor. Und nun sieht man, wie viele im Nordhessen-Stadion den Löwen die Daumen drücken. Mehr als 10.000 Arme wirbeln durch die Luft, der kollektive Torschrei sorgt für Gänsehaut. Nun ist die Oberliga ganz nah, was soll nach so einem Start noch passieren? Doch es kommt anders. Die Löwen stehen tief in der eigenen Hälfte, wirken nervös und fahrig. Lohfelden übernimmt rasch das Kommando. "Die KSV-Spieler liefen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen durcheinander", schreibt die HNA einen Tag später. So gibt es Chancen für den FSC im Minutentakt. Buongiorno, Usta und Scheiter knallen Zoran Zeljko nur so die Bälle um die Ohren. In der 11. Minute ist es dann soweit. Kopfball Scheiter, Zeljko kommt nicht heran - 1:1. Im Stadion ist es nun beängstigend still. Und Lohfelden macht so weiter, nimmt die Löwen fein säuberlich auseinander. Der KSV ist völlig verkrampft. Die Beine schwer. Lohfelden wirkt filigraner, leichtfüßiger. Nur Tore wollen keine gelingen. Statt 5:1 steht es zur Halbzeit nur 1:1. Mit soviel Glück muss man aufsteigen. Oder doch nicht? In der KSV-Kabine geht es zur Pause hoch her. Die erfahrenen Andreas Mayer und Zoran Zeljko haben das Kommando übernommen und stauchen ihre verängstigten Kollegen nach Strich und Faden zusammen. Das Gebrülle ist noch am Bratwürstchenstand zu hören. 

Im zweiten Durchgang dann ein anderes Bild. Der KSV kommt besser ins Spiel, beim FSC lassen die Kräfte nach. Dennoch ist die Halbzeit quälend lang. Doch es brennt nichts mehr an. Nils Lienhop verpasst Sekunden vor dem Schlußpfiff sogar noch das Siegtor. Aber egal. Kurz danach ist Schluß. Und nun gibt es kein halten mehr. "Die Löwen-Fans strömen in Scharen auf das aufgewühlte Grün des Nordhessen-Stadions, feiern ihre Helden noch weit nach Spielschluss mit Gesängen und Bierfontänen. Eine rot-weiße Heerschar im kollektiven Freudentaumel", so die HNA in ihrem Spielbericht. 

Oliver Zehe


25. Mai 2002:  FSC Lohfelden - KSV Hessen  1:1 (1:1)

FSC Lohfelden: Bartuli - Wilhelm, Dellova, Wefringhaus - Bayazit, Malinov, Scheiter, Gölbasi, Buongiorno (28. Oeczan, 52. Terell) - Usta, Wagner (80. Tafoski). Trainer: Gerhard Reinbold. 

KSV Hessen: Zeljko - Hirdes - Hintschich, Dietzel (88. Jan Lienhop) - Metze, Kayacik (70. Nils Lienhop), Mario Schäfer, Mayer, Radler, Akkoyun (82. Claus Schäfer) - Cesar. - Trainer: Oliver Roggensack. 

Zuschauer: 6.500 - Schiedrichter: Trautmann (Florstadt) 

Tore: 0:1 Mayer (4.), 1:1 Scheiter (11.).

Veröffentlicht: 15.04.2020

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Datum des Ausdrucks: 26.04.2024