Selbstreinigung im Schonwaschgang

TRAINERWECHSEL
Zündstoff war reichlich vorhanden. Der Trainerrausschmiss von Thomas Freudenstein durch eine Spieler-Revolte, das hatte selbst eingefleischte Fans des KSV Hessen in Rage versetzt.
Der Krach schien programmiert, als sich gestern Abend die Mannschaft des Fußball-Oberligisten im VIP-Raum des Auestadions 120 Vereinsmitgliedern und Fans zur Diskussion stellte. Da sollte doch massenweise harsche Kritik und Schelte auf die balltretenden Meuterer niederprasseln - oder? Nichts dergleichen.

Ruhig und sachlich wurden die Argumente ausgestauscht. Dreckige Wäsche blieb im Korb, so dass der vereinsinterne Selbstreinigungsakt innerhalb von 70 Minuten im Schonwaschgang ablief. Mehr Beruhigung als Aufklärung stand auf dem Programm. Und das wurde akzeptiert. Weil der vom Spieleraufstand ebenso überraschte Vereinsvorsitzende Jens Rose nach Gesprächen mit den Spielern einräumte, dass ich dadurch gelernt habe, zwischen dem von uns allen hochgeschätzten Spieleridol und dem Trainer Thomas Freudenstein, der sicherlich nicht fehlerfrei war, zu unterscheiden. Der Klubchef betonte nochmals, dass er die Mannschaft jetzt für die sportliche Zukunft mit in die Pflicht nimmt. "Wir haben trotz sportlicher Erfolge in elf Monaten zwei Trainer entlassen. Da muss man sich eigentlich schon mal auf den Geisteszustand hin überprüfen lassen."

Thorsten Schönewolf stellte in einer längeren Erklärung der Mannschaft noch einmal die Entwicklung dar, die schließlich zum überraschenden Bruch mit dem Trainer geführte. "Trotz sportlicher Erfolge hatte sich unter den Spielern zuletzt eine Frustration bis hin zur Resignation aufgebaut. Die gravierenden zwischenmenschlichen Probleme hätten auch durch Gespräche nicht mehr gelöst werden können. Wir wollten unsere Zukunft erfolgreich gestalten und hatten den Glauben verloren, dieses Ziel mit dem Trainer zu erreichen", sagte der Mannschaftskapitän.

Das bislang von allen Spielern gehaltene Schweigegebot über die Gründe, die zur Trennung führten, erklärte Schönewolf mit dem Hinweis, "dass Thomas nicht nur für mich, sondern auch für andere im Team ein Idol war. Er ist als Fußballer eine unbestrittene Größe und wird es auch bleiben."

Um den durch die erzwungene Trainerentlassung selbst aufgebauten Druck auf die Mannschaft abzubauen, ist nach Ansicht von Zoran Zeljko ein guter Start nach der Winterpause eminent wichtig. "Die Mannschaft muss 110 Prozent geben, und ich hoffe, dass wir uns richtig reinfressen werden", erklärte der KSV-Torhüter.

Den ersten Beweis muss die Mannschaft schon am kommenden Samstag im Pokal-Heimspiel gegen die SG Walluf antreten. Dann mit einem neuen Trainer. Bei der Entscheidung über die Neubesetzung des Postens, die am Freitag fällt, ist auch Thorsten Schönewolf mit dabei, unterstrich Rose die neue Verantwortlichkeit des Kapitäns.

Bewerbungen, so der Klubchef, sogar aus der 1. und 2. Bundesliga, gäbe es etliche. Bei der Entscheidung sei allerdings Voraussetzung, kein finanzielles Abenteuer einzugehen. Schon aus diesem Grund könnte eine interne Lösung infrage kommen: mit einem Spielertrainer Slawomir Chalaskiewicz und einem Co-Trainer an der Außenlinie.

"Wir brauchen einen Trainer, der die Begeisterung zurückbringt und an dem sich die Mannschaft aufrichten und weiterentwickeln kann", fordert Schönewolf. Damit könnte der KSV Hessen nach der heftigen Erschütterung der letzten Tage wieder zur Ruhe kommen.

Entscheidend sei - so Manager Jörg Schmidt - sowieso nur das Eine: "Dass es den KSV und seine Fans auch in Zukunft noch gibt." Kopfnicken, Beifall, Diskussion beendet.

<i>(Rolf Wiesemann/HNA-Sportredakion, 18.02.2004)</i>


Veröffentlicht: 18.02.2004

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