Bauer setzt das Märchen fort

Bayern München II - KSV Hessen 0:2 (0:1)
HNA-BERICHTE ZUM KSV-AUSWÄRTSSIEG: Als Jens Rose hinterher in einem der tiefen Räume des Stadions an der Grünwalder Straße saß, leicht erschöpft, da erinnerte sich der Präsident an die Tage, in denen der KSV Hessen Kassel in der A-Klasse spielte.
Damals, vor acht Jahren, habe er gesagt: „Dieses Märchen wird nie sterben.“ Dieses Märchen heißt KSV Hessen Kassel. Es ist lebendiger denn je.

Das neueste Kapitel heißt seit Samstag: Wir machen Furore in der Fußball-Regionalliga. Mit 2:0 gewann der Aufsteiger gegen die zweite Mannschaft des FC Bayern München. Welch eine famose Rückkehr in die Regionalliga. Welch Erleichterung. Doppel-Torschütze Thorsten Bauer stimmte nach der Partie das Humba-Humba-Tätärä vor den 350 mitgereisten Fans an, und Rose sprach hinterher davon, 7,5 Prozent des Saisonziels erreicht zu haben. Drei Punkte von 40 für den Klassenerhalt.

Nur zehn Minuten brauchte der Aufsteiger, um sich in der neuen Liga zurechtzufinden. Zwei Schnitzer von Martin Wagner und Thorsten Schönewolf in der Viererkette dokumentierten die Anfangsnervosität, die Trainer Matthias Hamann schon zehn Minuten zu lang gedauert hatte. Doch dann spielte Turgay Gölbasi einen Pass in den freien Raum auf den davoneilenden Michael Mason - und das Selbstbewusstsein schien Einzug zu halten bei der gesamten Mannschaft. Aus dieser Szene resultierte zwar kein Tor, aber sie war das Signal zum Aufbruch. Fortan wusste nicht nur Gölbasi, dass die kleinen Bayern verwundbar sind, sondern auch seine Mitspieler. „Das hat Selbstvertrauen gegeben“, bekannte Gölbasi.

„Hast Du die drei Punkte auch eingepackt?“

KSV-Spieler Michael Mason zum Busfahrer kurz vor der Rückfahrt

Der KSV sollte bis zum Abpfiff das spielbestimmende Team stellen: mit einer sicheren Abwehr, einem kontrollierten Konterspiel - und einem gut aufgelegten Spielmacher Marc Arnold. Der schoss auch schon mal selbst aufs Tor von Keeper Michael Rensing. In der 17. Minute tat er das aus 25 Metern. Der Ball prallte an die Latte, sprang zurück ins Feld. Thorsten Bauer hechtete ihm entgegen - und köpfte ein zum 1:0. Die neue Saison begann so, wie die alte - noch in der Oberliga - aufgehört hatte: mit einem Treffer des Top-Stürmers. Er sprach hinterher von einem Riesen-Einstand und einem Super-Auftakt. Der KSV hat die Superlative nach dem Aufstieg nicht in die Schublade gesteckt.

Noch etwas scheint sich fortzusetzen in der Regionalliga: „Ich mach’ immer nur die schweren“, sagte Bauer. Die leichten Bälle vergibt er mitunter. In der 37. Minute lief er allein auf Rensing zu - und der zeigte, dass er das Zeug zum Nachfolger Oliver Kahns hat. Auch Mason konnte ihn kurz nach der Halbzeit nicht überwinden. Kassel dominierte, vergaß aber lange, das 2:0 zu machen - auch in Überzahl. Nach einem Ellbogencheck an Pascal Groß hatte Borut Semler eine Viertelstunde vor Schluss Rot gesehen.

So musste der KSV zittern für den Sieg. Zweimal noch wurde es gefährlich vor dem Löwen-Tor. Doch die Abwehr stand. So blieb es Bauer vorbehalten, den zweiten Treffer kurz vor Ende zu erzielen. Er umkurvte Rensing, ließ sich abdrängen, traf aber aus spitzem Winkel. 2:0. Das Märchen geht weiter.


Von Florian Hagemann



<span class="smallfett">Gölbasi ragte aus guter Elf heraus</span>

<i>Die KSV-Spieler in der Einzelkritik</i>


Oliver Adler: Bei den wenigen hochkarätigen Chancen der Münchner war der 38-Jährige zur Stelle: So in der 21. Minute gegen Schwarz und zehn Minuten vor Schluss, als Saba aus sieben Metern abzog. Strahlte auch ansonsten die Ruhe aus, die seine jüngeren Teamkollegen benötigen.

Turgay Gölbasi: Überragender Akteur auf dem Platz; spielte als rechter Mann in der Viererkette kluge Pässe nach vorne und schaltete sich immer wieder selbst in den Angriff ein - so etwa in der 61. Minute, als er Schwarz austanzte und scharf nach innen flankte. Arnold verpasste knapp.

Thorsten Schönewolf: Der Kapitän erlaubte sich gleich zu Beginn einen bösen Schnitzer, als er den Ball gegen Maierhofer verlor - und das als letzter Mann. Allerdings: Dies blieb sein einziger Fehler. Klasse, seine Rettungstat kurz vor Schluss gegen Wagner. Spitzelte dem Bayern-Angreifer den Ball gerade noch weg, sonst hätte es womöglich 1:1 gestanden.

Dominik Suslik: Bot nach nervösem Beginn eine solide Partie in der Viererkette - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Martin Wagner: Sein Ballverlust in der Anfangsphase hätte fast das frühe 0:1 gebracht. Doch der 19-Jährige kämpfte sich anschließend in die Partie - und schien irgendwie zu merken, dass die Gegenspieler zwar größer sind als er, aber nicht besser. Das gab Selbstvertrauen für den Rest der Begegnung.

Sebastian Busch: Der Rückkehrer aus Vellmar erledigte nicht nur seine Aufgabe als Mann vor der Viererkette gut, sondern er setzte auch nach vorne Akzente - mit präzisen Pässen und einem Schuss, der allerdings abgeblockt wurde. Alles in allem ein äußerst gelungener Einstand. Ersetzte den verletzten Dickhaut mehr als zufrieden stellend.

Jan Fießer: Was für Busch gilt, das gilt auch für den Neuzugang aus Frankfurt. Allerdings nicht ganz so stark wie Busch im Spiel nach vorne. Aber immerhin: Sein Kopfball in der 30. Minute brachte Bayern-Keeper Rensing zumindest in Bedrängnis.

Michael Mason: Bayern-Coach Gerland sagte nach der Partie, dass Mason (35) ihn mit seinen 52 Jahren nicht überlaufen hätte. Mit den Bayern auf dem Platz hatte Mason da schon leichteres Spiel. Aktivposten auf der rechten Seite. Allerdings: Seine Eingabe in der 12. Minute auf Bauer kam zu unpräzise. Und: Hätte in der 49. Minute das 2:0 erzielen müssen, als er allein auf Rensing zulief. Zwei Minuten später glänzte er wieder mit einer guten Flanke auf Bauer.

Marc Arnold: Klasse Schuss vor dem 1:0, immer anspielbar, klasse Pässe in die Spitze - Arnold war der Spielmacher, den sich jeder Trainer nur wünschen kann.

Daniel Beyer: Auf der linken nicht ganz so effektiv wie häufig auf der rechten Seite. Er war nicht der Auffälligste an diesem Tag - machte aber auch keine Fehler, wenn er am Ball war.

Thorsten Bauer: Machte zwei Tore gegen Michael Rensing, der womöglich bald bei den Bayern-Profis im Tor steht. Das sagt schon fast alles. Ach so: Er hätte noch zwei Tore machen können, aber es muss ja noch die Möglichkeit zur Steigerung vorhanden sein.

Pascal Groß: Für ihn gilt die oberste Floskel für Einwechselspieler einer erfolgreichen Mannschaft: Kam in der 60. und fügte sich nahtlos ins Team ein.

Julio Cesar: Cesar wäre nicht Cesar, wenn er nicht unmittelbar nach seiner Einwechselung das Dribbeln ein wenig übertrieben hätte. Seine großen Auftritte kommen noch.

Murat Turhan: Durfte nach seinen ersten drei Minuten in der Regionalliga schon einen 2:0-Sieg feiern. Es gibt Debüts, die sind schmerzvoller.


<i>hag/HNA-Sportredaktion

Montag, 07. August 2006</i>


<span class="smallfett">Stimmen zum Spiel</span>

Matthias Hamann, Trainer des KSV Hessen Kassel: „Es war eine geschlossene Mannschaftsleistung, es gab keine Schwachstelle in unserer Mannschaft. Es hat sich ausgezahlt, dass wir in der Vorbereitung gegen höherklassige Mannschaften gespielt haben. Es ist immer gut, am Anfang einer Saison gegen solche Teams wie gegen Bayern zu spielen. Da sind sie noch nicht eingespielt.“

Hermann Gerland, Trainer des FC Bayern München II: „Der Sieg des KSV Hessen Kassel geht in Ordnung. Meine ach so hoch gelobten Jungen mussten feststellen, dass es schwer wird in der Regionalliga. Meine beiden Manndecker waren gar nicht zu sehen.“ Sven Lehrich, Fan aus Kassel: „Ich bin schwer überrascht von dem Ergebnis. Damit habe ich nicht gerechnet. Es ist schon klasse. Ich wollte erst gar nicht mitfahren, aber das hätte ich bereut.“


<i>hag/HNA-Sportredaktion

Montag, 07. August 2006</i>


<div class='boximcontent boximcontent_left'><img src='http://ksv.lopri.net/pictures/06-08-07-94554_florian_hagemann.jpg' border='1'><br clear='all'>Florian Hagemann zum Auftakt <br>des KSV Hessen Kassel </div><br>KOMMENTAR
<span class="smallfett">Auf einem guten Weg</span>

Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass der KSV Hessen Kassel zurück ist auf Deutschlands Fußball-Landkarte, dann dieses: Er fand sogar Erwähnung im Aktuellen Sportstudio des ZDF. Dort ließ Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick durchaus erkennen, dass die Löwen keine Unbekannten sind für ihn. Nach dem Sieg in München ist das Team von Trainer Hamann auf dem besten Weg, sich auch bei denen einen Namen zu machen, die den KSV nicht aus glorreichen Zeiten kennen.

Der Erfolg bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern hat gezeigt, dass der Aufsteiger in der Lage ist, in der für ihn neuen Liga mitzuhalten - und sogar noch ein bisschen mehr. Der Sieg in München war dabei auch das Ergebnis einer Vorbereitung, die auf diesen Tag ausgelegt war: Die Testspiele gegen vornehmlich starke Gegner haben den Löwen eher geholfen als geschadet - auch wenn es teils heftige Niederlagen gab.

Bereits nach einem Spiel in der Regionalliga haben die Löwen viele Fans euphorisiert. Die Vorfreude auf die erste Heimpartie am Mittwoch gegen Hoffenheim ist riesengroß. Die nächste Erwähnung im Sportstudio sollte nicht lang auf sich warten lassen.
<a href='mailto:hag@hna.de' target='_blank'>hag@hna.de</a>

Veröffentlicht: 07.08.2006

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Datum des Ausdrucks: 26.04.2024