"Mannschaft und Trainer Matthias Hamann brauchen Zeit"

Interview mit Mirko Dickhaut in November-Ausgabe "Xcentric"
Ex-Profi und KSV-Integrationsfigur Mirko Dickhaut (im Foto unter den Löwen-Fans) sieht den KSV Hessen mittelfristig auf einem guten Weg. Das teilte der 34jährige Mittelfeldspieler im aktuellen Löwen-Team in einem Interview mit KSV-Pressereferent Herbert Pumann mit. Das komplette Interview ist in der November-Ausgabe des regionalen Magazins "xcentric", die ab Ende nächster Woche erscheint, nachzulesen.
<i>Mirko, während des Gesprächs schauen wir uns grad das begeisternde Champions-League-Spiel Fenerbace Istanbul gegen Schalke 04 an. Du hast aktiv für Eintracht Frankfurt und den VfL Bochum bei 20 Europapokalspielen mitgewirkt, kommt da Wehmut auf?</i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Weder Wehmut noch sonst irgend welche besonderen Emotionen. Das war für mich eine schöne Zeit, doch ist es lange her und für mich längst erledigt."

<i>"Immerhin kannst Du vorweisen gegen Teams wie La Coruna, den FC Brügge oder Ajax Amsterdam Wettbewerbsspiele bestritten zu haben. Dazu 231 Bundesliga-Spiele (1. und 2. Liga), Dein erstes Tor in Deutschlands höchster Fußball-Liga übrigens gegen den 1. FC Nürnberg und den damaligen Nationalkeeper Andy Köpke. Und jetzt gegen Aschaffenburg und Wörsdorf, wie fällt der Vergleich von der großen Fußball-Bühne kommend ins kleine hessische Oberliga-Theater aus?"</i>

<u>Mirko Dickhaut (lacht): </u>"Ist halt Oberliga. Nein, im Ernst und ohne arrogant zu wirken. Ich denke in den oberen Ligen wird mehr mit Kopf gespielt. Will heißen, dort wird bei Aktionen mehr spekuliert, mehr antizipiert. Hier in der Oberliga ist die Aktion erst im Kopf, wenn sie passiert. In den Profiligen hat sich viel vorher schon im Kopf abgespielt, man spielt vorausschauender. Ich will hier wirklich keinem zu nahe treten, doch in der Oberliga wird halt einfacher gespielt. Da passiert oft erst was, wenn einer den Ball hat, weiter oben in den Fußball-Ligen schon vorher. Das Spiel ohne Ball ist da ausgeprägter."

<i>"Das hat es wohl auch Dir schwerer gemacht, Dich in die Oberliga-Szene hineinzufinden, zumal Du ein taktisch kluger Spieler bist, demzufolge Du ja auch Deine Fußball-Karriere überwiegend zu verdanken hast. Jetzt lief es bei Dir - wenn auch bedingt durch Deine Verletzung - und bei den Löwen in dieser Saison 2005/2006 noch nicht konstant gut. Wie fällt Dein Fazit zum jetzigen Zeitpunkt aus?</i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Sehe es mit gemischten Gefühlen. Wir müssen nicht drum rum reden, dass sowohl meine eigenen Erwartungen als auch die der Mannschaft bisher noch nicht erfüllt worden sind. Wir zeigen oft gute Ansätze, die jedoch schnell wieder verpuffen. Doch andererseits überrascht mich das auch nicht. Wir haben viele Neuzugänge bekommen, spielen teilweise ja mit sieben, acht neuen Spielern in der Start-Formation. Das braucht Zeit, bis ein Rad in das andere greift. Die Erwartungen in Kassel und beim KSV Hessen sind nunmal seit Jahren sehr hoch. Doch du brauchst auch Ruhe, Geduld und Verständnis, um was zu leisten. Der derzeitige Tabellenführer FSV Frankfurt ist doch das beste Beispiel. Bei denen herrscht Ruhe im Verein und man konnte kontinuierlich diese Mannschaft finden, die so schon länger zusammen spielt und vor der Saison nur wenige Neuzugänge bekommen hat. Lasst doch unsere Mannschaft und auch Trainer Matthias Hamann mal kontinuierlich arbeiten. Erst wenn wir in der Oberliga Konstanz zeigen, kann die Regionalliga ein Ziel sein. Ich denke das Problem in Kassel ist immer wieder jene glorreichen Zeiten vor zwanzig Jahren hervor zu holen, wovon viele heute noch zehren. Doch das bringt uns nicht weiter. Wir brauchen professionelle Strukturen und sind auf einem guten Weg. Das geht Schritt für Schritt. Ob mit den Sponsoren, Fans und dieser neuformierten Mannschaft. Neue Spieler, neuer Trainer, vieles ist neu in dieser Saison und noch gewöhnungsbedürftig! Braucht Zeit, zu reifen und sich zu entwickeln. Auch oder gerade im spieltaktischen Bereich. Man lernt halt am meisten im Wettkampf und auch durch Fehler. Mir war klar, dass der FSV Frankfurt so stark sein wird, ich gebe allerdings zu, dass wir soweit hinter ihnen zurück sind, hätte ich nicht gedacht."

<i>Apropos FSV Frankfurt. Der bisher unbesiegte Liga-Primus gastiert am 12. November 2005 im Auestadion. Welchen Stellenwert hat dieses Spiel für Dich? </i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Jedes Spiel ist für uns wichtig. Gerade jetzt! Ich will immer drei Punkte! Doch wichtig ist, dass wir im weiteren Saisonverlauf und den nächsten Wochen unbedingt Konstanz über die gesamte Spielzeit bekommen und nicht nur phasenweise überzeugen. Spielerisch sind wir gut und vielen Gegnern überlegen, doch wir brauchen noch mehr Geduld. In Erzhausen beim 1:0-Sieg beispielsweise haben wir Spiel und Gegner kontrolliert und mit Ruhe auf unsere Chance gewartet, um dann nach siebzig Minuten zuzuschlagen. In Aschaffenburg dagegen bekommen wir ein Gegentor und schon bricht alles zusammen. Wir wollen oft noch zu früh zu viel und zu schnell, behalten dadurch unsere Spielordnung nicht bei und bringen uns selbst aus der Ruhe. Wir müssen uns jetzt erst Mal mit der Mannschaft konsolidieren. Man sollte auch bedenken, dass wir erst am 12. Spieltag im Heimspiel gegen Wörsdorf erstmals in dieser Saison nahezu alle Spieler an Bord hatten. Als Beispiel: Das war überhaupt das erste Oberligaspiel, das ich mit Julio Cesar gemeinsam bestritten habe. Wir hatten bisher in dieser Saison noch nie eine eingespielte Mannschaft. Wichtig ist, dass wir uns in Zukunft fußballerisch gut präsentieren, unser Spielsystem optimieren und sich die jungen Spieler, ich denke da besonders an Martin Wagner und Pascal Groß, weiter entwickeln."

<i>"Ich behaupte mal, wenn alle beim KSV Hessen an Bord sind, seid ihr schwer zu besiegen, doch wehe - siehe Saisonauftaktwochen - einige Leistungsträger fallen aus, dann wird es kritisch. Seid ihr - vor allem dem Aufstiegsspiranten FSV Frankfurt gegenüber - in der Leistungsbreite nicht stark genug?"</i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Auf der Torwart-Position und in der Defensive sind wir schon gut bestückt, doch uns fehlen natürlichen Alternativen im Sturm. Zwei, drei personelle Ausfälle konnten wir bisher nicht kompensieren. Doch das ist halt auch alles eine Frage der Finanzen und deshalb müssen wir weiter Strukturen schaffen, um mehr Profitum zu erreichen!"

<i>"Du fungierst mit Herz- und Löwen-Blut als Integrationsfigur auf dem Spielfeld und außerhalb. Du hast mit dazu beigetragen, dass Spieler und Fans, Spieler und Journalisten, an einen Tisch kamen sowie bereits veranstaltete Sponsoren-Treffen, Kontakte mit Sponsoren, weiter gepflegt werden. Fußballerisch brauchtest Du durch Deine mehrwöchige Verletzungspause Zeit, um Dich erst mal auf Dich zu konzentrieren, Deine Leistung zu finden. Jetzt, wo Du auch für Dich weiter bist, in welcher Rolle siehst Du Dich im Verein und in der Mannschaft?"</i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Ganz klar in einer Führungsrolle. Ich will, unabhängig von meiner eigenen sportlichen Leistung, besonders für die jungen Spieler da sein, ihnen den Rücken frei halten. Auch oder vor allem auf dem Platz. Dass sie sich an mir hoch ziehen. Ich will immer anspielbar sein und mich taktisch einbringen. Ich versuche weiter an Aktionen für den Verein zu arbeiten. Ob das der intensive, regelmäßige Kontakt mit Fans oder Sponsoren oder den Medien ist. Natürlich gilt es, daran werde ich nunmal primär gemessen, meine sportliche Leistung zu stabilisieren. Die Basis eines Spielers wird nunmal in der Saisonvorbereitungsphase gelegt. Das fehlt mir leider in diesem Jahr, so dass es noch Nachholbedarf gibt. Ich muss auch an meiner eigenen Leistungskonstanz arbeiten. Meine eigene konstante Leistung ist mein größter Wunsch und ich hoffe ohne jenes Verletzungspech aus den Saisonauftaktwochen zu bleiben."

<i>"Blick nach Vorn! Wie beurteilst Du die Perspektiven beim KSV Hessen mittel- und kurzfristig?"</i>

<u>Mirko Dickhaut:</u> "Ich bin ja ein positiv denkender Mensch. Fakt ist, der KSV Hessen ist in den vergangenen Jahren zwei Mal knapp an Eschborn bzw. Darmstadt und somit dem Aufstieg in die Regionalliga gescheitert, dann folgte im letzten Jahr ein Durchhänger. Für mich ist das durchaus normal. Unabhängig von den hohen Ansprüchen, die beim KSV jedes Jahr herrschen, sind wir auf einem guten Weg.

Mit Jens Rose an der Vereinsspitze marschiert ein Top-Mann vorne weg! Matthias Hamann ist der richtige Trainer, der es verdient, länger als Verantwortlicher hier zu bleiben. Ich denke auch, dass wir eine gute Mannschaft haben, die mit Rückschlägen zu kämpfen hat und sich in den nächsten Wochen und Monaten konsolidieren muss. Mittelfristig kann hier was entstehen, um Profifussball zu schaffen.

Ich persönlich hoffe, dass das bald der Fall ist, denn so lang werde ich auch nicht mehr spielen. Doch es ist nicht auszuschließen, dass ich später in anderer Funktion im Verein tätig bin. Drum herum um den Verein, die Mannschaft, muss weiter viel passieren. Ob Auestadion-Ausbau, Sponsoren-Ausbau, bessere Rahmenbedingungen, sei es in punkto Trainingsplätze im Winter. Es gibt viel zu tun! Wichtig ist, nicht nur zu nörgeln, sondern anzupacken und vor allem positiv zu denken.

Habe manchmal den Eindruck, dass für einige hier das Glas halb leer ist. Für micht ist und bleibt es halb voll."

<i>Kassel, 20. Oktober 2005</i>

Veröffentlicht: 20.10.2005

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Datum des Ausdrucks: 26.04.2024