Jetzt gehts den Löwen ans Portemonnaie

KONSEQUENZEN
Beim abstiegsbedrohten Oberliga-Vizemeister werden finanzielle und personelle Konsequenzen gezogen.
Die Lage ist ernst, sehr ernst sogar. Daher wird jetzt beim abstiegsbedrohten Fußball-Oberligisten KSV Hessen auch Tacheles geredet. Das blamable 0:3 gegen den Tabellenletzten Bernbach hat das Fass zum Überlaufen gebracht.

"Jetzt wird hart durchgegriffen. Ich habe die Mannschaft immer gestützt, aber irgendwann ist Schluss. Jetzt muss gehandelt werden", erklärte der KSV-Vorsitzende Jens Rose gestern gegenüber der HNA. Und der Löwen-Boss belässt es nicht bei bloßen Worten. Bereits am Sonntag hatte Rose die Spieler um sich versammelt, um ihnen in einer Rede sehr ernster Natur die prekäre Lage noch einmal deutlich zu machen. "Da habe ich Tränen in manchen Augen gesehen", sagt der Vereinsvorsitzende, der seinen Spielern gleichzeitig die Kürzung ihrer Bezüge ankündigte.

Rose: "Es wird Einschnitte finanzieller Art geben. Wir werden sehen, wer dies akzeptiert. Wer mitgeht, von dem weiß ich dann, dass er voll hinter unserer Sache steht." Die Frist, in welcher sich die Spieler entscheiden mussten, lief am Montagabend ab.

Die konsequente Linie seines Chefs verfolgt Trainer Bernd Sturm weiter. "Es muss Veränderungen geben, und es wird sie geben", sagte der sportliche Leiter gestern im Rückblick auf das Debakel vom Samstag. "Jetzt muss jeder Spieler auf den Prüfstand, um ganz deutlich Zeichen nach draußen zu geben, dass es so nicht weitergehen kann."

Was Sturm im Duell mit Bernbach am meisten vermisst hat, ist die Leidenschaft, der unbedingte Wille, dieses Spiel zu gewinnen. "Es geht hier nicht um Meier, Müller oder Schulze. Es geht um die Mannschaft und um den Verein. Wer das nicht kapieren will, der gehört nicht mehr dazu", redet der Trainer Klartext. Und auch Jens Rose kritisiert die Einstellung der Mannschaft: "Man kann verlieren, klar.

Aber auf das Wie kommt es an. Brutal gesagt: Wenn wir so weiterspielen wie am Samstag, dann gewinnen wir bis zum Saisonende kein Spiel mehr."

Das will Trainer Sturm natürlich verhindern. Daher wird schon in den kommenden beiden Auswärtsspielen in Wörsdorf und in Vellmar eine andere Löwen-Mannschaft auflaufen. "Es muss wieder erkennbar sein, dass mit Engagement und Leidenschaft gekämpft wird", so Sturm, der nun allerdings abwarten muss, was die Sanktionen des Vereinsvorstands bewirken.

Doch egal welche Spieler bei der Fahne bleiben, sicher ist, dass jetzt die Jungen, die bisher hinten dran waren, ihre Chance erhalten werden. Umbruchstimmung bei den Löwen. Missstimmung auch? Vor allem an atmosphärischen Störungen zwischen Spielmacher Slawomir Chalaskiewicz und Neuzugang Sven Teichmann wollen viele außen stehende Beobachter den krassen Leistungsabfall des Vizemeisters der Vorserie festmachen. Eine Einschätzung, die der Trainer entkräftet.

"Beide Spieler haben mir glaubhaft versichert, dass menschlich keine Disharmonie zwischen ihnen herrscht. Nur Chala und Teichmann bevorzugen halt zwei unterschiedliche Spielsysteme. Deshalb klappt das Spiel im Mittelfeld nicht", erklärt Sturm.

In noch ärgerem Zustand präsentierte sich zuletzt aber die KSV-Abwehr. Zehn Gegentreffer in vier Spielen, das besagt alles. "Deshalb müssen wir am Samstag in Wörsdorf auch in erster Linie darauf achten, hinten das zu null zu halten", setzt Sturm Prioritäten.

Die eklatante Formschwäche seiner Truppe sieht der Coach allerdings nicht als aktuellen Absturz. Sturm: "Das ist wie ein roter Faden, der sich schon von Anfang an durch die Saison zieht."


KOMMENTAR
<span class='smallfett'>Die Nagelprobe</span>
Kein Biss, keine Leidenschaft, keine Punkte. Kraft- und saftlos taumelt der einstige Titelfavorit KSV Hessen in der Fußball-Oberliga dem Abstieg entgegen. Mit der katastrophalen Leistung vom 0:3 gegen Bernbach fast schon ein hoffnungsloser Fall.

Die Zeit war reif, die Zügel anzuziehen, um die rasante Talfahrt zu beenden. Der Vorstand hat sofort gehandelt. Das spricht für ihn. Der Griff in den Geldbeutel der Spieler ist zwar ein hartes, aber auch probates Mittel, um Druck zu erzeugen und Loyalität zu prüfen.

Jetzt müssen die Akteure Farbe bekennen: Geht es ihnen nur ums Geld, oder stehen Mannschaft, Fans und Verein vornan. Eine Nagelprobe, der sich auch der Trainer unterziehen muss. Bernd Sturm steht im Wort. Auch er muss Konsequenzen aus der Misere ziehen, will er nicht unglaubwürdig werden. Das heißt: Raus aus dem Team mit Drückebergern und Arbeitsverweigerern, rein in die Mannschaft mit jungen, ehrgeizigen Spielern.

Jetzt ist nicht nur der Zeitpunkt zum Handeln gekommen, sondern auch die Zeit zum Wandel. Diese Chance gilt es zu nutzen.

<i>(Rolf Wiesemann,HNA-Sportredaktion, 26.10.04)

Archivfoto: Koch</i>

Veröffentlicht: 26.10.2004

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Datum des Ausdrucks: 26.04.2024