Machen wir eine kleine Zeitreise in das Jahr 1986: Die Löwen scheiterten als fünfter der zweiten Bundesliga zum gefühlt zwanzigsten Mal am Aufstieg in die erste Bundesliga, Mönchengladbach erreichte mit Trainer Jupp Heynckes eine Spielklasse höher den vierten Tabellenplatz und qualifizierte sich damit für das internationale Geschäft, ganz schlicht noch UEFA-Pokal genannt. Berührungspunkte zwischen den beiden Vereinen gab es bereits in der Sommerpause: Löwen-Spielmacher Dirk Bakalorz wechselte für 475.000 DM Ablöse – wie die HNA zu berichten wusste – zu den Gladbacher Fohlen. Im Zeitalter von Karottenjeans und Lederschlipsen eine durchaus stolze Summe, die der damals finanziell eher klamme KSV auch gut gebrauchen konnte.
Umso größer war die Freude in Nordhessens Metropole, als die Auslosung zur ersten Hauptrunde im DFB-Pokal bekannt gegeben wurde: „Traumlos für KSV: Gladbach kommt!“ jubelte im Hochsommer 1986 die HNA. „Bei so einem Gegner können wir mit einem vollen Stadion rechnen“, freute sich Club-Chef Peter Meyer-Tonndorf. „Ausgerechnet Kassel – das kann doch nicht wahr sein“, entfuhr es dagegen Dirk Bakalorz, Vater von Marvin, der in der kommenden Spielzeit bei Hannover 96 unter Vertrag steht.
Die Auslosung war vor dreißig Jahren übrigens alles andere als ein mediales Spektakel wie heute. Sie wurde in einem tristen DFB-Büro in Frankfurt durchgeführt, Glücksfee war eine unbekannte Sekretärin des Verbandes, Fernsehkameras waren nicht anwesend. Und da taucht schon das große Problem dieser Ziehung auf, das kurz danach zum Problem für den KSV Hessen wurde: Unbemerkt von allen, kullerte die Loskugel der Stuttgarter Kickers unter den Tisch und blieb dort liegen, bis die Verantwortlichen am Ende der Ziehung erschreckt feststellten, dass für Tennis Borussia Berlin der Gegner fehlte. Nach intensiver Suche wurde die Kugel mit den Kickers gefunden – und pragmatisch wie der DFB dann doch manchmal sein kann – ordnete man die Schwaben den Berlinern zu.
Doch damit waren die Kickers nicht zufrieden und legten Protest ein. Die Hoffnung, bei einer möglichen Widerholungsziehung Bayern München zu erhalten, war größer, als die Motivation zu einem Berliner Amateurverein zu fahren. Einige Tage später entschied das DFB-Schiedsgericht tatsächlich: Die Auslosung wird wiederholt! Es kam wie es kommen musste: Die Löwen mussten auswärts beim eher weniger attraktiven Amateur-Verein Bremer SV antreten, Mönchengladbach reiste zum FC Amberg, statt ins Auestadion. Und die Stuttgarter Kickers? Die bekamen erneut ein Auswärtsspiel zugelost: Bei Tennis Borussia Berlin!
Oliver Zehe
Veröffentlicht: 31.07.2016