Das grĂ¶ĂŸte Spiel der Löwen

Das grĂ¶ĂŸte Spiel der Löwen

Vor fĂŒnfzig Jahren

1970 - also vor genau fünfzig Jahren - fiel der dritte Adventssonntag auf den 13. Dezember. So wie dieses Jahr. Wochenlang fieberten damals die Fußballfans in Nordhessen diesem Tag entgegen. Die erste Hauptrunde des DFB-Pokal stand an und der FC Bayern München war im Auestadion zu Gast. Die Hessische Allgemeine freute sich auf das "Spiel des Jahres". Doch es sollte das Spiel der Vereinsgeschichte werden. Nachzulesen, wie viele andere legendäre Geschichten über den KSV Hessen, in den Südstadtlegenden, einem hochwertigen Magazin mit 112 Seiten, bestellbar noch vor Weihnachten unter suedstadtlegenden@ksv-hessen.de.

Es ist die Mutter aller Kasseler Pokalspiele. Vielleicht das beste Spiel, das das Kasseler Auestadion je sah. Die Qualität macht alleine der Gegner aus. Sepp Maier, Katsche Schwarzenbeck, Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Paul Breitner und Gerd Müller – gleich sechs spätere Weltmeister von 1974 stehen auf dem Rasen und werden vom KSV fast aus dem Wettbewerb geschmissen. Dazu noch „Bulle“ Roth, der Europapokalheld. 32.000 Fans – andere Quellen sprechen sogar von 34.000 - toben, als Reinhard Adler und Herbert Maciossek die Löwen in Führung schießen, zweimal kann Gerd Müller ausgleichen.  

Doch der Reihe nach. Der 13. Dezember 1970 ist ein nasskalter Adventssonntag. Die erste Hauptrunde im DFB-Pokal steht an. Der KSV spielt eine ordentliche Saison in der Regionalliga, ist Tabellensechster, der FC Bayern steht auf Platz eins der Bundesliga. „Das Spiel des Jahres im Auestadion“, jubelt die Hessische Allgemeine voller Vorfreude. Zusatztribünen stehen zwischen der Haupttribüne und den Stehplätzen und auch in den Bäumen rings ums Stadion hängen Fans. Die Löwen spielen im hyper-modernen Schick der frühen siebziger Jahre: Auf dem weißen Trikot sind auf der rechten Seite ein roter und dunkelblauer Längsstreifen, anstatt der traditionell schwarzen Hose tragen die Löwen ein dunkelblaues Beinkleid. 

Schon in der 15. Minute saust ein Schuss von Reinhard Adler haarscharf über die Querlatte. Fünf Minuten später ist es soweit: Bernd Gerstner legt für Adler an der Strafraumgrenze die Lederkugel mit der Hacke ab, „und wie vom Katapult geschleudert, fliegt der Ball hoch unter das Tordach – das Stadion dröhnt vom Jubel“, freut sich die Hessische Allgemeine. Doch wie gewonnen, so zerronnen. 120 Sekunden später leistet sich ausgerechnet Torjäger Adler ein Fehler im eigenen Strafraum, Gerd Müller – wer sonst – staubt ab, 1:1. Doch der Wahnsinn geht weiter. 25. Minute: Eckball von „Gerdchen“ Grau mit viel Effet – Herbert Maciossek gibt dem Ball mit dem Kopf eine andere Richtung – 2:1, Sepp Maier ohne Chance. Das Stadion gleicht einem Tollhaus, Silvesterraketen schwirren durch die Luft. 2:1 für den KSV, Drei Tore in fünf Minuten. Die Herztropfen bitte! Die Führung hält 14 Minuten. Dann kombinieren sich Uli Hoeness und Gerd Müller durch den Kasseler Strafraum und lassen Rolf Birkhölzer keine Chance – 2:2.

Auch im zweiten Durchgang bleibt das Spiel hochspannend. Wer spielt jetzt eigentlich mit wem? Die Katze FC Bayern mit der Maus KSV Hessen oder doch umgekehrt? Eine Ecke nach der anderen vor Maiers Tor, Verteidiger Koppenhöfer, der auf den ungewöhnlichen Vornamen Herward hört, rettet nach einem Kopfball von Maciossek für den geschlagenen Sepp Maier auf der Linie. Überragend beim KSV ein Mann, der zwei Jahre später zu Hertha BSC Berlin in die Bundesliga wechseln sollte: „Grau zickzackte über das Feld, wie ein Hase, hinter dem die Meute her ist“, schwärmt Herbert Peiler, Sportchef der Hessischen Allgemeinen, in seinem Spielbericht. Langsam zieht die Dunkelheit an diesem tristen Dezember-Sonntag über das Auestadion. Flutlicht gibt es keins. „KSV-KSV“-Sprechchöre von der Gegengerade. Aber der Führungstreffer für die Löwen will nicht gelingen. 

In der Verlängerung fallen keine Tore mehr, Elfmeterschießen gibt es noch keins. „Jo mei, dös Unentschieden wor grecht“, äußert sich Kaiser Franz Beckenbauer bei seiner Audienz nach dem Spiel. Es gibt ein Wiederholungsspiel in München, das der Bundesligist einen Tag vor Weihnachten im dicken Schneetreiben im alten Stadion an der Grünwalder Straße mit 3:0 gewinnt.

Oliver Zehe

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13. Dezember 1970:

KSV Hessen – FC Bayern München 2:2 n. V. (2:2, 2:2)

KSV Hessen: Birkhölzer – Resenberg (91. Rabeneck), Dittel, Brück, Kastl – Weiland, Habedank - Gerstner, Maciossek (71. Schade), Adler, Grau. 

Bayern München : Maier – Hansen, Schwarzenbeck, Beckenbauer, Koppenhöfer - Roth (52. Breitner), Hoeness, Zobel - Mrosko, Müller, Brenninger. 

Schiedsrichter: Schulenburg (Bemerode b. Hannover). 

Zuschauer: 32 000. 

Tore: 1:0 Adler (20.), 1:1 Müller (22.), 2:1 Maciossek (25.), 2:2 Müller (39.).

 

 

Veröffentlicht: 13.12.2020

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Datum des Ausdrucks: 16.04.2024