"Vom Spielerstreik zum Sergoooooooooaal!"

Die KSV-Kolumne von Christof Dörr

Lieber KSV, ja, du bist der hellste Punkt an meinem Horizont. Der Farbenklecks in meinem grauen Grau. Du bist in meinem Lieblingslied, die Melodie! Merci, dass es dich gibt!

Aber: Zu Beginn dieser Kolumne geht meine sonst grenzenlose Bewunderung mal Fremd. Ich muss den Hut vor den Profis vom FSV Mainz 05 ziehen. Eine absolute Hammernachricht hat mich da gestern Abend aus Kloppo-City erreicht: „Mainzer Spielerstreik nach Szalai Rauswurf!“ Wow! Revolution der Millionäre, schoss mir sofort durch den Kopf.

Als ich die Nachricht dann gelesen hatte, dachte ich nur noch: Irgendwie ist der Fußball schon verrückt. Gerade war ich noch der felsenfesten Überzeugung, dass die meisten Spieler in der 1. Bundesliga Söldner sind, die zu dem Verein gehen, der mit dem dicksten Geldbündel winkt, schon wird man eines Besseren belehrt. Denn in Mainz streiken die Spieler für ihren suspendierten Kollegen Adam Szalai. Der Grund: Angeblich gehen sie davon aus, dass der Verein über die Gründe der Suspendierung öffentlich, na, wie sagt man doch gleich so schön? Die Unwahrheit gesagt hat.

Am Montag hatte der Sportvorstand der 05er den Ungarn suspendiert. Angeblich aus rein sportlichen Gründen. Die Mitspieler sollen aber davon ausgehen, dass Szalai nur suspendiert wurde, weil er sich für sein Team stark gemacht hat. Im Mannschaftsrat soll der 32-Jährige gefordert haben, dass die Spieler das Geld zurückbekommen, das sie dem Verein in der Corona-Krise gestundet hatten. Zu dieser Forderung kann man stehen, wie man will, aber erstmal ist es das gute Recht des Mannschaftsrates, sie zu stellen. Schließlich ist er so eine Art Personalrat, der sich gegenüber der Geschäftsführung um die Belange der Mannschaft kümmert. Und der Klub hatte Gerüchten zufolge zuvor angekündigt, dass Geld komplett einbehalten zu wollen.

Das ihr Mitspieler suspendiert wird, weil er sich für sein Team stark gemacht hat, wollten die Meenzer Buben wohl nicht akzeptieren, hängten kurzerhand die Stollenschuhe an den Nagel, hoben die rechte Hand zur Faust geballt zum Gruß und bestreikten das Nachmittagstraining. Eine Mannschaft, mit einem Gesamtwert von 105 Millionen Euro, will so lange das Kicken verweigern, bis die Sache mit Adam Szalai geregelt ist. Das nenne ich Solidarität. Wie gesagt: Hut ab! Wer weiß, wer in Mainz am Samstag um 15:30 beim Bundesligaspiel gegen Stuttgart auf dem Platz steht? Vielleicht ja die zweite Mannschaft, die sonst mit dem KSV in der Regionalliga kickt. Sicher ist: Es bleibt spannend.

Bislang kamen mir beim Thema streikende Fußballspieler vor allem Egoisten wie Ousmane Dembele in den Sinn, die so lange die Anweisungen des Vereins ignorieren, bis sie das bekommen, was sie wollen. Wie kleine Kinder, die ihre Suppe nicht essen, bis ihre Eltern irgendwann aufgeben, weil ihnen die Hand vom ständigen Löffel vor den Mund halten weh tut. Pierre-Emerick Aubameyang ist auch so einer. In beiden Fällen saßen die Spieler sozusagen vor den Geschäftsstellen mit einem selbstgemalten Schild: „Kickerstreik für ein volles Portemonnaie.“

Was die streikenden Kicker vom FSV mit unserem KSV zu tun haben? Na, ich hoffe eine Menge und das der Mannschaftsrat sich im Ernstfall auch in Kassel auf den Rest des Löwenrudels verlassen könnte. Da habe ich angesichts der mannschaftlichen Geschlossenheit, die das Team bislang in dieser Saison zeigt, aber keine Bedenken. Am Samstag, beim 1:1 gegen Pirmasens, lief zwar nicht alles rund, aber man muss trotzdem ganz klar sagen, Glückwunsch, KSV! Gut gekämpft, viel gegeben und wieder einen Punkt gegen den Abstieg eingefahren. Denn genau um den geht es in dieser Saison. Punkt um Punkt hamstern, für den Klassenerhalt.

Der KSV steht im Moment zwar oben in der Tabelle, wir sollten aber definitiv nicht schon wieder anfangen, lautstark von der 3. Liga und dem ewigen Traum vom Profifußball zu fabulieren. Mit dem Bau von Traumhäusern sind wir Kasseläner, Kasselaner und Kasseler nämlich leider oft zu voreilig. Und wenn der Traum dann platzt, wird gemährt. Wie hat Thorsten Pfennig 2015 in einem Interview mit dem Magazin 11 Freunde so schön festgestellt: „Bei Hessen Kassel fragen die Fans nach einem 5:0 nicht, wann es so einen tollen Sieg schon mal gegeben hat, sondern sie fragen, warum die Mannschaft nicht 7:0 gewonnen hat.“ Also halten wir mal fest: Wenn wir in einem Jahr noch 4. Liga spielen, dann ist das ein Erfolg.

Ach ja, Glückwunsch, Siggi! Ne geile Bude hast Du da am Samstag ins Netz gezimmert! Wie ein echter Goalgetter: Erst auf leisen Sohlen anpirschen, dann blitzschnell zum Sprint ansetzen und knallhart abschließen. Und ich sag mal so: Nachtigall, ick hör Dir trapsen! Schließlich bist Du einst quasi über Nacht vom Mittelfeldstrategen zum Abwehrbollwerk geworden. Warum sollte der nächste Schritt nicht das Sturmzentrum sein? Dann können die Herren Schmeer und Saglik sich in Ruhe auskurieren, während Du ihnen klammheimlich die Torjägerkanone vor der Nase wegschnappst.

Vielleicht geht’s ja schon am Samstag weiter mit Sergooooooooooaaal! Schließlich kommt mit dem FC 08 Homburg ein echter Hochkaräter ins Auestadion. Okay, vermutlich sind die noch etwas sauer auf mich, weil ich in meiner Kolumne mal geschrieben habe: „Würde irgendwer, der noch keine 8 Promille im Blut hat, den FC 08 Homburg als Legende bezeichnen? Vermutlich eher nicht.“ Heute gebe ich zu: Das war nicht die feine englische Art – aber, naja, wenns doch stimmt!

Also Löwen: Schaut ganz genau nach Mainz. So geht Solidarität. Wer zusammenhält ist stark. Zähne fletschen und den nächsten Punkt gegen den Klassenerhalt einfahren. Oder vielleicht sogar drei? Und jetzt, quasi als Trockenübung, schonmal alle zusammen, so laut, dass man es in ganz Kassel hören kann: Schalalalaaaaaaa, der KSV ist wieder da!

Veröffentlicht: 24.09.2020

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Datum des Ausdrucks: 24.04.2024