"Die spinnen, die Bayern!"

Die KSV-Kolumne von Christof Dörr

„Es geht endlich wieder los! Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ Endlich wieder Fußball am Samstag und dann auch noch gegen den Rekordmeister! Champions League Sieger. Das Team des ewigen Jupp! Den FC Bayern! HAMMER! Ich freue mich wie Bolle auf das Spiel und singe mich schonmal warm: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus! Lederhosen aus! Lederh ….“

Wie jetzt? ALZENAU?  FC Bayern Alzenau? Da klingen die ersten acht Buchstaben nach großer weiter Fußballwelt. Und die letzten sieben nach Provinz. Außerdem, mal ganz unter uns: Mir sind ja Fußballvereine, die den Namen ihres Bundeslands im Titel haben, irgendwie nicht geheuer. Aber gut.

Alzenau … Momentchen, Momentchen, da war doch mal was. … Haben die nicht? … Mmmmmmmh … NÖ! Tatsächlich. Da war noch nie was. Der FC Bayern Alzenau feiert in diesem Jahr zwar sein 100-jähriges Bestehen, hat diese Zeit aber bislang nicht genutzt, um sich durch Fußball-Großtaten hervor zu tun. Viele Jahre Landesliga, Oberliga, Hessenliga, jetzt im zweiten Jahr Regionalliga Südwest.

Was gibts sonst über Alzenau zu sagen? Die Stadt hat 18.500 Einwohner und liegt zwar in Bayern, genauer gesagt in Unterfranken, gehört aber seit 28 Jahren dem Hessischen Fußball-Verband an. Das liegt daran, dass der Ort gerade mal einen Kilometer von der hessischen Grenze entfernt ist. Nach Kassel sind es aber rund 200 Kilometer. Wikipedia weiß als HIGHLIGHT noch zu berichten, dass in der Stadt 2015 die Bayerische Gartenschau „Natur in Alzenau“ stattfand. Aber mal ernsthaft, bei aller Liebe, wo soll die Schau „Natur in Alzenau“ auch sonst stattfinden, als in Alzenau. Das lass ich definitiv nicht als besonderes Highlight gelten.

Zur Ehrenrettung muss man den Alzenauern aber lassen, dass sie einen Vize-Europameister ausgebildet haben. Heiko Westermann ist der bekannteste Fußballer des Ortes. Der kam 1983 in Alzenau zur Welt und lernte beim FC Bayern Alzenau kicken. Es folgten Bielefeld, Schalke, Hamburg, Sevilla, Amsterdam, Wien und 27 Länderspiele für Deutschland, mit dem oben erwähnten Höhepunkt im Jahr 2008. Wobei ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchte, dass wir mit unserem „Gala“ ja sogar einen echten WELTMEISTER haben. Und der hat nicht nur mal kurz in der Jugend beim KSV gespielt, sondern auf dem Höhepunkt seines Könnens. 

Aber zurück nach Alzenau, die Lage dort ist aktuell ziemlich verzwickt. Weil sie räumlich zwar zu Bayern gehören, Fußballtechnisch aber zu Hessen, haben die Alzenauer ein großes PROBLEM. In Bayern spielt die Regionalliga im Moment nämlich nicht, weil sie als Amateurliga eingestuft worden ist. Es darf nicht mal trainiert werden. Und was in Bayern gilt, gilt selbstverständlich auch in Alzenau. Das Team darf auf dem Vereinsgelände also weder trainieren noch spielen. Der bayerische Freistaat weigert sich auch standhaft, ihm eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

„Die spinnen, die Bayern!“, denken sich die Fußball-Hessen in Alzenau seitdem. Das Ende vom Lied: Um ohne direkt in den KNAST zu kommen gegen das runde Leder treten zu können, fährt die Mannschaft jetzt immer ins 50 Kilometer entfernte hessische Walldorf, um dort zu trainieren und übergangsweise auch die Heimspiele auszutragen.

Sehr löblich übrigens: Obwohl sie angesichts der ganzen Widrigkeiten allen Grund dazu gehabt hätten, gehörte Alzenau nicht zu den sechs Klägern, die die Wiederaufnahme des Spielbetriebs gerichtlich stoppen lassen wollten. Der Grund: "Wir sind ja Gast in Hessen, da wollten wir nicht als KLÄGER auftreten", hat Andreas Trageser, einer der Vorstände des Vereins, der Süddeutschen Zeitung erzählt. SuperSpitzeDankeDafür!

Also, zurück zum Anfang: „Es geht endlich wieder los! Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ Um 14 Uhr kommt der FC Bayern zu uns ins Auestadion. WOHOOOOOOOOO! „Zieht den Bayern die Lederhosen aus! Lederhosen aus! Lederh ….“ Wie jetzt? Verdammt, ohne Fans! Klar, Corona. Aber: Es gibt einen Livestream auf der Homepage der Löwen. Zwar kein richtiger Ersatz für Fußball im Auestadion, aber dann wird mein Wohnzimmer halt zum Stadion. Vor dem Haus hisse ich die KSV-Fahne und während des Spiels reiße alle meine Fenster auf, damit meine Nachbarn in die Fangesänge einstimmen können. Wenn alle Nordhessen mitmachen, kommen wir vielleicht sogar ins Guinness Buch der Rekorde. Als größter Fußballchor der Welt, oder so.

Und jetzt, quasi als Trockenübung, alle zusammen, auch dieses Mal bitte wieder extra laut, damit wir das A…%&_‘`=/%...LOCH-Virus aus Kassel und ganz Nordhessen vertreiben: „Schalalalaaaaaaa, der KSV ist wieder da!“

Veröffentlicht: 10.12.2020

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Datum des Ausdrucks: 18.04.2024