KNALL! PENG! BUMM!

Die KSV-Kolumne von Christof Dörr

Ich weiß, ich weiß, eigentlich vertreibt man mit dem Feuerwerk an Silvester ja die bösen Geister! In diesem Jahr hatte ich mir aber fest vorgenommen, die bösen Viren zu vertreiben und was ist? Es gibt kein Feuerwerk. Anders als viele andere habe ich nämlich nicht zufällig noch Böller vom letzten Jahr in meiner Garage rumliegen. Sprich: Ich kann in diesem Jahr weder böse Geister noch nervige Viren und schonmal gar nicht seltsame Südhessen aus unserem schönen Kassel vertreiben. Bei diesen Voraussetzungen fällt es schwer, positiv in Richtung 2021 zu schauen. Schöner Mist!

Andererseits: Schlimmer als 2020 kann es ja sowieso nicht werden und immerhin schone ich ohne die Böllerei die Umwelt, alles hat irgendwie auch seine gute Seite. In diesem Jahr wird Silvester also leise, ruhig, beschaulich. Keine volltrunkenen Tänze auf irgendwelchen Kneipentresen. Keine Böllerorgien und Feinstaubexzesse. Kein verkartertes Erwachen in fremden Betten. Und am Samstag ist nicht mal ein Spieltag – die Regionalliga Südwest schlummert noch in der Winterpause. Hach! Wie soll man angesichts dieser trüben Aussichten eine launige Kolumne zum Jahresausklang schreiben?

Nur gut, dass es den KSV Hessen Kassel schon so lange gibt und die Historie voll ist von großartigen Geschichten. So gibt es unter anderem auch ein echtes Silvester-Sensatiönchen, Gänsehaut garantiert! Denn heute vor genau 54 Jahren hat der KSV für uns Nordhessen den dicksten Silvesterböller aller Zeiten gezündet! Und der Knall hallt noch so sehr nach, dass man an so einem faden Corona-Jahreswechsel prima davon zehren kann. Stellt euch zu der nun folgenden wirklich märchenhaften Geschichte vor, dass ihr in einem dicken Ohrensessel vor einem wohlig warmen, beruhigend knisternden Kaminfeuer sitzt und nicht in euer Smartphone oder den Computer, sondern in ein dickes Märchenbuch schaut.

Es begab sich am 31.12.1966 im Auestadion zu Kassel, einem Samstag. Bei Temperaturen rund um den Gefrierpunkt und leichtem Regen trat der KSV in der Qualifikationsrunde zum DFB Pokal gegen Eintracht Frankfurt an. 12.000 Zuschauer waren gekommen und alle erwarteten, dass der Bundesligist aus Südhessen gegen den Regionalligisten aus dem Norden ohne größere Probleme in die erste Pokalrunde einziehen würde. Denn die Eintracht musste zwar auf ihren verletzten Nationalspieler Jürgen Grabowski verzichten, hatte aber trotzdem einige Stars in ihren Reihen. Am Ende der ersten Halbzeit stand es dann aus Sicht der Löwen auch erwartungsgemäß 1:2.

Was dann in den 15 Minuten Pause in der Kabine passiert ist, wurde bis heute nicht publik. Sicher ist: Der KSV kam wie verwandelt wieder auf den Platz zurück und lieferte ein Feuerwerk der Fußallkunst ab. Zwischen der 54. und der 78. Minute böllerten unsere Löwen fünf (5!) Tore und ließen den haushohen Favoriten ziemlich alt aussehen. Am Ende stand ein 6:2 für Kassel. KNALL! PENG! BUMM! wurden die Adler mit kunterbunt leuchtenden Raketen vom Himmel geholt. Die Tore fielen übrigens durch drei Doppelpacks: Bernd Schmidt (45. +1), Bernd Schmidt (54.), Hans Alt (57.), Hans Alt (61.), Horst Schaub (67.), Horst Schaub (78.). Yippie-Ya-Yeah und ein schönes neues Jahr, liebe Eintracht!

SORRY liebe Leser, weil es zu schön ist, muss ich es einfach noch mal schreiben: 6:2! Gegen Eintracht Frankfurt und die sind in der Saison 1966/67 am Ende vierter in der 1. Bundesliga geworden. Meister war übrigens, na klar, …. Denkste! Nämlich nicht die, an die ihr jetzt alle gedacht habt, sondern Eintracht Braunschweig! Die mit dem Jägermeister auf dem rühreigelben Trikot! Zweiter? Klaro, München! Aber nicht etwa DIE, sondern 1860! Der große FC Bayern wurde in diesem Jahr 6.

Aber zurück zur DFB-Pokal Sensation. Nachdem die Löwen an diesem Silvestertag die Adler gerupft und verspeist hatten, scheiterten sie zwei Wochen später in der 1. Runde denkbar knapp an Werder Bremen. Nach einem 2:2 vor 25.000 Zuschauern im Auestadion, hieß es im Wiederholungsspiel in Bremen am Ende 1:2 aus Kasseler Sicht. Immerhin, auch diesen Bundesligisten hatte die Löwen-Elf an den Rand einer Niederlage gebracht.

Übrigens haben die Pokalhelden damals auch irgendwie anders gefeiert, als es heute normal zu sein scheint. Unser Mittelfeldmotor Rolf Fritzsche erklärte in einem Interview: „Besonders gefeiert habe ich nicht, denn ich bin nach dem Spiel mit meiner Frau zu deren Eltern nach Pirmasens gefahren.“ Na logo! Da haut man den südhessischen Dauerrivalen mit 6:2 aus dem Pokal und fährt dann nach Pirmasens zum zünftigen Silvester-Schwof mit den Schwiegereltern. Was soll man auch sonst machen?

Immerhin ist Rolf Fritzsche so ganz sicher um einen Shitstorm herumgekommen, wie ihn Neymar gerade erlebt. Der hatte nämlich eine klitzekleine Silvesterparty mit seinen 500 besten Freunden geplant. 5 Tage sollte die Sause dauern, für die er angeblich extra eine unterirdische Diskothek bauen ließ. Mit DJ, Bars, Bühne und Spielzimmer. Außerdem soll er mehrere Bands engagiert haben. Und das nicht etwa in Pirmasens, sondern in Brasilien, auf seinem Anwesen in der Nähe von Rio de Janeiro. Aber warum bekommt man für eine Silvester-Sause einen Shitstorm? HALLO! Corona-Krise? Brasilien ist eines der am stärksten betroffenen Länder der Welt. Über 190.000 Menschen sind dort in Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Rolf Fritzsche oder einem anderen unserer KSV-Pokalhelden wäre eine solche Gedankenlosigkeit ganz sicher nicht unterlaufen!

Aber nun zurück zum Jahreswechsel 20/21 und der großen Frage: Wie schaffen wir es, trotz der Corona Beschränkungen dafür zu sorgen, dass böse Geister, nervige Viren und seltsame Südhessen aus unserem schönen Kassel verschwinden? Ich habe da schon eine gute Idee! Lasst uns einfach ohne Böller Krach machen, wie immer am Ende dieser Kolumne. Und dieses Mal bitte wieder extra laut: „Schalalalaaaaaaa, der KSV ist wieder da!“

Veröffentlicht: 31.12.2020

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Datum des Ausdrucks: 18.04.2024