
Der gute Mensch von Niestetal
Holger Brück feiert am Sonntag Geburtstag – Der ehemalige Fußballprofi wird 60 – Idol in Kassel und Berlin.
Von Gerd Brehm
22. September 2007: 5500 Menschen verleben einen schönen Nachmittag im Kasseler Auestadion, denn der KSV Hessen besiegt Spitzenreiter Jahn Regensburg mit 4:0. Viele Fans feiern Bauer, Berger und Beyer, manche denken aber auch an Holger Brück.
Ohne den Mann, der am Sonntag 60 wird, gäbe es gar keinen KSV Hessen, und um das zu erklären, blicken wir kurz zurück in das Jahr 1998. Zu diesem Zeitpunkt ist der KSV schon fast fünf Jahre tot, und auch der Nachfolgeklub - der FC Hessen - lebt nicht mehr. Jetzt wird Brück aktiv, ist maßgeblich beteiligt an der Wiedergründung des KSV und übernimmt den Vorsitz. Ganz unten in der Kreisliga muss der neue Verein anfangen, und es ist ein langer und steiniger Weg bis zum Sieg gegen den Regionalliga-Spitzenreiter.
Aber warum hat sich ein Mann, der als Fußballer ganz oben war, die mühsame Funktionärsarbeit aufgeladen? „Aus Liebe zum KSV", sagt Holger Brück, und sein Gesprächspartner weiß genau, dass dies keine Floskel ist. Brück ist uneitel, aufrichtig und hilfsbereit, und er wird sich immer revanchieren, wenn ihm Gutes widerfahren ist.
Beim „alten" KSV hatte der Zehnjährige in der D-Jugend angeheuert, obwohl er damals - 1958 - ganz in der Nähe des Hermannen-Platzes in der Kasseler Nordstadt wohnte. Es war eine Bilderbuchkarriere, die vor fast 50 Jahren begann und die gar kein Ende nehmen wollte. Sein letztes Pflichtspiel hat Holger Brück in einem Alter bestritten, in dem so manchem Zeitgenossen der Weg zum Gartentor schon mühsam erscheint.
Natürlich erinnert sich der Jubilar gern an die unvergessenen Spiele im Auestadion, in denen er eine Hauptrolle spielte. Als im Dezember 1970 der FC Bayern zum Pokalspiel in Kassel antrat, hieß der Mann des Spiels nicht Beckenbauer oder Breitner, auch nicht Müller oder Maier, sondern schlicht Brück.
Dennoch hat der Niestetaler seine ganz großen Triumphe nicht in der Heimat gefeiert, sondern im fernen Berlin. Holger Brück erzählt, wie es zum Hertha-Transfer gekommen ist: „Die Berliner wollten Gerd Grau verpflichten und haben ihn beobachten lassen. Dabei bin auch ich den Spähern aufgefallen, und schließlich haben sie uns beide genommen."
Das Hertha-Trikot trug der Libero neun Jahre. „Er ist halt verlässlich", sagt Ursula Brück. Und meint damit wohl auch treu. Die Brücks sind seit 38 Jahren verheiratet.
Und immer noch glücklich. Holger Brück weiß gar nicht wie das ist, schlechte Laune zu haben. Wirkt wie einer, der seine Ziele erreicht hat, und der weiß, dass er schon 60 Jahre auf der Sonnenseite des Lebens verbracht hat.
Aber was war mit der Nationalmannschaft? Als Franz Beckenbauer nach New York ausgewandert war, sahen viele Brück-Fans in ihrem Idol des Kaisers Nachfolger, doch einen Kontakt zu Bundestrainer Helmut Schön hat es nie gegeben.
Aber selbst das lässt Deutschlands zweitbesten Libero nicht im Zorn zurückblicken. „Ich war ihm wohl zu klein", sagt der 171-Zentimeter-Mann.
Typisch Brück. Er kann wirklich niemandem böse sein, und wer ihn ein bisschen kennt, der wundert sich darüber, dass der gute Mensch von Niestetal im Haifischbecken Bundesliga neun Jahre überlebt hat.
Und wie. Mit 261 Spielen liegt Holger Brück an zweiter Stelle der ewigen Hertha-Bestenliste, und Berliner Journalisten - wahrscheinlich verhinderte Poeten - nutzten seinen Namen, um zu zeigen, dass sie auch reimen können.
„Holger Brück - Herthas bestes Stück." Das war eine Schlagzeile. Und eine weitere Überschrift lautete: „Grau und Brück - Herthas Glück."
Wir haben uns inspirieren lassen und versuchen es auch einmal: „Holger Brück - Kassels Glück."
Die größten Triumphe
Deutscher Vizemeister
Die größten Triumphe feierte Holger Brück mit Hertha BSC. Hier die wichtigsten Erfolge: Mai 1975: Deutscher Vizemeister Juni 1977: DFB-Pokalfinale Juni 1979: DFB-Pokalfinale
Immer wieder mal Trainer
Beim KSV Hessen (oder FC Hessen) war Holger Brück immer wieder mal als Trainer tätig. Hier die genauen Daten:
Mai und Juni 87: 2. Bundesliga
August 88 - Juni 89: Reserve in der Landesliga
August 92 - Juni 94: Reserve in der Landesliga
September 94: 1. Mannschaft in der Regionalliga
August 94 - Juni 95: Reserve in der Landesliga
August 95 - Juni 96: 1. Mannschaft in der Regionalliga
September 2000 - Juni 2001: 1. Mannschaft in der Bezirksoberliga
September 2001: 1. Mannschaft in der Landesliga
Hochzeit mit 22 Jahren
30. 9. 47: Geburtstag (Philosophenweg in Kassel)
1. 4. 54: Einschulung in die Volksschule im Philosophenweg
1. 4. 56: Umzug in die Nordstadt und Wechsel zur Volks - und Realschule im Struthbachweg
September 58: Erstes offizielles Fußballspiel für die D-Jugend des KSV Hessen
März 64: Schulabschluss mit der Mittleren Reife
April 64: Beginn einer Lehre als Großhandelskaufmann
August 66: Spieler der KSV-Hessen-Amateure
März 67: Abschluss der Lehre als Großhandelskaufmann
April 67: Bundesgrenzschutz
August 68: Vertragsspieler beim KSV Hessen
Dezember 69: Hochzeit mit Ursula
Mai 70: Geburt von Tochter Sabine
August 72: Wechsel zu Hertha
Februar 78: Geburt von Sohn Sebastian
August 81: Wechsel zu den Calgary Boomers
April 82: Rückkehr zum KSV Hessen
August 82: Spielertrainer bei Eintracht Baunatal
April 84: Eröffnung eines Sportgeschäfts in Kassel
August 87: Erneute Rückkehr zum KSV Hessen
Juni 90: Karriereende
August 98: Kurzes Comeback in der Kreisliga A (zwei Spiele zusammen mit Sohn Sebastian)
Quelle HNA 29.9.07 & steht auch auf der Startseite.
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