Kurze Vorgeschichte: Auf dieses Match freute ich mich schon seit Monaten. Nachdem ich Mitte Juli zum dritten Mal beruflich nach Kairo gekommen war und im Internet entdecken konnte, dass das Spiel auf einen Zeitpunkt fällt, zu dem ich noch hier sein würde, war mir klar, dass ich da live dabei sein musste.
Einige Tage vor dem Spiel wollte ich mich auf der entsprechenden Homepage schlau machen, um wie viel Uhr das Game beginnen und wo es stattfinden sollte. Aber leider war dasselbe hier noch mit keinem Wort erwähnt, so dass ich den Spieltag auf mich zukommen ließ.
Am vorgestrigen Freitag, also zwei Tage vor dem Spiel, rief mich ein Kollege an und teilte mir mit, dass er gerade die komplette Nationalmannschaft Kameruns mitsamt ihrem Trainer Winfried Schäfer im Sheraton Hotel in Heliopolis getroffen habe. Ärgerlich, dass ich aus dienstlichen Gründen nicht selbst in dem nahe gelegenen Hotel vorbei schauen konnte! Naja, der Kollege organisierte mir auf meinen Wunsch hin eine Autogrammkarte vom Winnie, und er hatte auch noch eine Überraschung parat. Herr Löhr, der deutsche Teamarzt der Kameruner, werde uns Freikarten für das Spiel besorgen und an der Rezeption des Hotels hinterlegen. Was für eine großartige Nachricht! Davon abgesehen, dass ich bei dem zu erwartenden riesigen Andrang befürchtete, keine Karte mehr zu bekommen, ging ich davon aus, dass das dann bestimmt auch Karten für den Block der Gäste oder zumindest einen „neutralen“ Block sein würden, so dass man sich ohne größere Gefahr über die erwarteten Tore der Kameruner freuen könnte

Da man uns alle nur irgendwie verfügbaren und nicht selbst benötigten Karten zur Verfügung stellen wollte, rührte ich im Kollegenkreis die Werbetrommel für das Match, und es fanden sich inklusive meiner Wenigkeit sechs Leute -darunter durchaus auch weniger Fußballinteressierte- , die sich dieses Match gönnen wollten. Zu meiner großen Enttäuschung gab es dann heute Nachmittag die traurige Nachricht, dass die Ägypter den Gästen keinerlei Karten zur Verfügung gestellt hatten. Also neben uns sollten offenbar auch die mitgebrachten Presseleute usw. keine Karte bekommen. Was für die Meisten von uns nicht so schlimm und Anlass war, auf das Spiel zu verzichten, war für mich doch ziemlich bitter und stachelte mich an, das Spiel „jetzt erst recht“ sehen zu müssen. Ich dachte mir, dass es doch bestimmt auch einen Schwarzmarkt geben müsse, bei dem ich zuschlagen könnte.
So machte ich mich gegen 18:30 Uhr auf den Weg zum Cairo International Stadium. Durch die Kameruner bzw. den Kollegen wusste ich mittlerweile, dass das Spiel um 20:00 Uhr stattfinden würde, und da Winnie Schäfer & Co. von einem ausverkauften Spiel vor 70.000 Zuschauern gesprochen haben sollen, war mir klar, dass für das Match nur dieses Stadion in Frage kommen konnte. Ausnahmsweise bin ich diesmal mit dem Auto zum Stadion gefahren, da ich weiß, dass nach solchen großen Spielen die Taxifahrer einen schon mal gerne stehen lassen, so dass das einen längeren Rückmarsch hätte bedeuten können. Ich stellte unser Gefährt ganz in der Nähe des Stadions ab und wunderte mich ein bisschen, dass ich um diese Uhrzeit noch so einen passablen Parkplatz finden sollte und vor allem, dass weit und breit kein Fan zu sehen war. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass das Cairo International Stadium ein riesiger Sportkomplex ist, der mehrere Zufahrtsmöglichkeiten, Ein- und Ausgänge und verschiedene Plätze und Anlagen umfasst. Es hätte also durchaus sein können, dass ich mich vertan hatte und noch einen mittellangen Fußweg auf mich hätte nehmen müssen. So fragte ich mich bei den verschiedensten Leuten nach der Begegnung „Egypt - Cameroun“ durch. Die ersten Personen, die ich ansprach, wiesen jegliche Englisch-Kenntnisse von sich, und ein Polizist zeigte mir dann, dass ich einen anderen Eingang benutzen solle. Ich zog also weiter, aber auch auf dem Weg zum „richtigen“ Eingang war keinerlei Fußballstimmung zu erkennen. So stellte ich mich allmählich darauf ein, dass das Spiel in einem ganz anderen Stadion stattfinden würde. Nichtsdestotrotz sprach ich kurz vor dem Haupteingang noch einen Verkehrspolizisten an, nannte erneut die heutige Partie, in der Hoffnung, dass er schalten und mir zu verstehen geben würde, dass das Spiel nicht in dem Stadion stattfinden würde. Aber er zeigte weiter Richtung Haupteingang, der „seltsamerweise“ verschlossen war. Dort angekommen fragte ich den Torwächter, und auch der schien zunächst nicht zu verstehen, um was es ging. Wollte mich, nachdem er mich ein paar Mal zurück gewiesen hatte, dann doch rein lassen, ehe er glücklicherweise doch noch die Erleuchtung gehabt haben muss, dass mit „Egypt – Cameroun“ ja eigentlich nur das heutige WM-Quali-Spiel gemeint sein konnte. Ist mir völlig unbegreiflich, wie an so einem Tag, an dem das Spiel des Jahres, ja eigentlich der gesamten WM-Qualifikation, stattfinden würde, jemand in diesem angeblich so fußballbegeisterten Land bei dem Nennen der Partie „Egypt – Cameroun“ nicht sofort weiß, worum es da geht. Naja, ich verstand den Torwächter jedenfalls so, dass das in einem anderen Stadion weit weg von diesem stattfinden würde.
Damit habe ich dann das Spiel für mich eigentlich schon ad acta gelegt, um mich nach ein paar gelaufenen Metern in Richtung Auto dann aber doch an die Hauptstraße zu stellen, um ein Taxi anzuhalten. Der erste Fahrer, der hielt, konnte leider auch nichts damit anfangen, was ich ausführte, und wollte sich offenbar auf kein Abenteuer einlassen, so dass er weiter fuhr. Der zweite hat mich zwar auch nicht verstanden, ließ mich aber zunächst einsteigen, um kurz darauf festzustellen, dass er nicht wusste, wo er hinfahren soll. Naja, immerhin verstand er ein paar Brocken Englisch und holte sich fremde Hilfe. Er stoppte neben einem jungen Pärchen, und der männliche Part übernahm freundlicherweise die Übersetzung Englisch-Arabisch / Arabisch-Englisch. Der junge Mann sagte, dass das Stadion, in dem das Spiel stattfinden würde, ca. eine halbe Autostunde entfernt sein würde. Da es bereits 19:00 Uhr war, meinte ich, dass das dann wohl zu spät sei, noch ein Ticket zu kriegen. Aber es hieß, der Taxifahrer würde mir zeigen, wo ich ein Ticket kaufen könne, und so ließ ich mich darauf ein, für 20 Ägyptische Pfund zum Ort des Geschehens gefahren zu werden. Es handelte sich dann letztlich um eine Strecke, für die ich bei Ortskenntnis nur 5 Pfund bezahlt hätte (und wir waren auch nicht viel länger als fünf Minuten unterwegs), aber das nahm ich locker. Schließlich kaufte der Fahrer für mich an der Straße aus dem Auto heraus noch eine Eintrittskarte, so dass ich mich darum nicht zu kümmern brauchte. Die Karte kostete sensationelle sieben (als Zahl: 7 !) Pfund, also weniger als einen Euro, und mein Taxifahrer, der nur fünf geben wollte, bezeichnete den Verkäufer noch als Ali Baba

Nachdem die erste und eigentlich einzige maximal halbwegs ernstzunehmende Kontrolle (Abtasten lediglich im vorderen Hosentaschenbereich, selbst der am Gürtel getragene Fotoapparat wurde nicht „gefunden“) passiert war, mussten noch ca. 5 Minuten Fußweg (bei meinem schnellen Schritt) bis zum Ground absolviert werden. Hätte nach all den Strapazen und jeder Menge Schweiß nie gedacht, dass ich letztlich noch ca. eine halbe Stunde vor Anpfiff am wirklichen Ort des Geschehens ankommen würde...
Anyway; die lange Anreise zum Heimspiel lag hinter mir, und ich durfte in meinem vierten Live-Spiel in Kairo meinen dritten Ground kennen lernen – das Osman Ahmed Osman Stadium des Arab Contractors Sporting Club. Zu meiner Überraschung gab es noch viele freie Plätze, besonders hinter dem Tor, was sich für mich anbot, um ein paar Bilder zu machen. Ich hatte ein Stehplatzticket und konnte damit meinen Platz immer mal wechseln. Keine schlechte Sache, aber doch irgendwie enttäuschend, dass es offenbar nichts war mit „ausverkauft“. Überhaupt war das nie und nimmer ein 70.000 Zuschauer fassendes Stadion. Ich verschätze mich ja immer wieder, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mehr als 40.000 Menschen in dieser Arena Platz finden könnten. Ca. Dreiviertel des Runds war nur besetzt, was ich bei dieser Paarung niemals für möglich gehalten hätte. Da kommen ja bei vergleichsweise unwichtigen Spielen in der Arabian Champions League mehr Zuschauer.
Wie auch immer. Ich war jedenfalls da, und das war das Wichtigste. Durch die relativ geringe Zuschauerresonanz, besonders in meinem Block, kann ich mich gemütlich mit Saft eindecken, ein paar Fotos schießen und mich auf das Spiel freuen. Kameruner sind auch da, und gar nicht mal so wenige. Sie füllen einen nicht unwesentlichen Teil der Haupttribüne, ich denke mal, dass es so 1200-1500 sind, eingeschlossen von ebenfalls nicht wenigen Polizisten. Verglichen mit dem letztjährigen Supercupspiel ist das Polizeiaufgebot aber nicht besonders erwähnenswert. Eine Anzeigentafel hat dieses Stadion leider nicht; schade um das obligatorische Ergebnisbild! Irgendwann marschiert eine Kapelle auf den Platz, spielt ein Liedchen, in dessen Verlauf von den Rängen immer wieder ein vieltausendstimmiges „Masr“ (Ägypten) ertönt. Geile Stimmung, die hoffen lässt! Schließlich laufen die Nationalmannschaften ein. Nach der Begrüßung des ägyptischen Teams durch ein paar „wichtige“ Menschen werden die Nationalhymnen gespielt. Zunächst die der Gäste, die auch hierzulande -wie das ja leider vielerorts der Fall ist- gnadenlos ausgepfiffen wird. Es wird sogar getrommelt und irgendwas skandiert – unmöglich so was, aber ist einem ja nicht mehr ganz neu. Bei der ägyptischen Hymne, die zumindest in meinem Block offenbar kaum jemand auswendig kennt, gibt es aber auch vereinzelt Pfiffe aus dem Gästeblock.
Ziemlich pünktlich beginnt dann das Spiel. Die „unbezähmbaren Löwen“ nehmen zunächst das Heft in die Hand, erspielen sich Feldvorteile, kommen aber lediglich zu vereinzelten Torschüsschen, die keine Gefahr für die Gastgeber darstellen. Ägypten spielt aber nicht schlecht mit und kommt mit zunehmender Spieldauer besser ins Spiel, ohne sich jedoch zwingende Chancen zu erarbeiten.
Die Stimmung im Stadion ist eher enttäuschend. Außer gelegentlichen Trommelwirbeln aus einzelnen Blöcken, an deren Ende ein „Masr“ (das „r“ hört man praktisch nicht) steht (ähnlich dem Trommeln bei uns mit dem anschließend schallenden „Sieg!“) ist so gut wie nichts zu hören. Da habe ich bei jedem Clubspiel hier bisher mehr Anfeuerungen erlebt.
In der Schlussviertelstunde der ersten Halbzeit sieht man von Kamerun fast gar nichts mehr, die Ägypter werden dagegen zunehmend offensiver. Kurz vor der Halbzeit begebe ich mich allmählich nach unten Richtung „Safthändler“, als es einen gefährlichen Freistoß für Ägypten von der Strafraumgrenze aus gibt. Abgewehrt, Ecke, und Tor! Das vorher so ruhige Stadion gleicht einem Tollhaus. Unendlich viele Fahnen werden geschwenkt, Menschen liegen sich in den Armen, Gesänge ertönen. Zu diesem Zeitpunkt kann man wirklich von einer verdienten Führung für die Gastgeber sprechen, da Kamerun sich größtenteils viel zu passiv verhalten hat.
Halbzeit. Zum Glück hatte ich mich etwas früher auf den Weg nach unten gemacht, um dem großen Chaos zu entgehen, das sich nach meinem Besuch an der Versorgungsstation [eine Art halber Tapeziertisch, auf dem Nüsse, extrem trockene längliche Teigteile -ich spüle sie jetzt noch mit Bier runter...- sowie Capri-Sonne ähnliche Säfte angeboten werden] unweigerlich anbahnt. Die Halbzeit-Langeweile vertreibe ich mir also mit Kauen, Trinken, Fotografieren und dem Gedanken, wie ich wohl von dort aus wieder zurück zum Cairo International Stadium finden würde (schließlich steht da ja mein Auto). Kurz vor Beginn der zweiten Hälfte spreche ich jemanden an, ob er ein Foto von mir machen könne. Interessanterweise sprach ausgerechnet dieser Mensch einwandfreies Englisch und schlug mir vor, ein weiteres Bild in eine andere Richtung aufzunehmen, da bei dem vorherigen der Lichteinfall zu groß sei. Ich dachte mir, wenn nur halb so viele Menschen dann, wenn Du sie dringender brauchst, so gut Englisch könnten wie dieser Herr, dann wäre Dir sehr geholfen. Aber ich will mich nicht beschweren, schließlich bin ich hier zu Gast und müsste eigentlich Arabisch lernen...
Der zweite Spielabschnitt. Kamerun nun wesentlich druckvoller und die eindeutig tonangebende Mannschaft. Während sich die Schwarzafrikaner jedoch weiterhin keine echten Torchancen erspielen können, führt einer der wenigen Entlastungsgriffe Ägyptens nach einer halben Stunde zum Foulelfmeter. Riesiger Jubel im Stadion, und auch die Spieler reißen die Arme in die Höhe, so als hätten sie das Tor schon sicher. Das Tor fällt auch und stellt den Spielverlauf der zweiten Hälfte etwas auf den Kopf, und es herrscht erneut eine großartige Stimmung im weiten Rund. Dies war auch in Halbzeit 2 nicht immer so, manchmal war trotz der Führung Totenstille, ansonsten gab es außer dem „Masr“ auch hin und wieder mal so eine Art „Hey!“, das aus einzelnen Blöcken ertönte. Schon seltsam, dass der Funke bei Länderspielen nicht überspringt! Ob das jeweils die Blöcke der einzelnen Vereine waren und man grundsätzlich keine gemeinsame Sache macht *grübel* ...? Kamerun wirft nun mit dem Mute der Verzweiflung alles nach vorne, so dass sich Konterchancen für die Nordostafrikaner ergeben. Ein munteres, schön anzusehendes Spielchen also in dieser Schlussphase, das nun endlich auch von verschiedenen Gesängen der Fans begleitet wird. Einer dieser Konter führt gar zum 3:0 für Ägypten, und ich stelle mich darauf ein zu schreiben, dass die Kameruner ein wenig unter Wert geschlagen worden sind bzw. der Sieg ein bis zwei Tore zu hoch ausgefallen ist. Aber es war noch lange nicht vorbei. In der Nachspielzeit, die nach meiner Uhr neun (!) Minuten betragen hat (okay, ein paar Verletzungsunterbrechungen gab es, aber so viele...?) trifft Kamerun noch zweimal ins Schwarze und kommt zu weiteren Möglichkeiten. Ich muss ja zugeben, dass ich mir irgendwie den Ausgleich gewünscht habe, aber letztlich kann man nur feststellen, dass der Sieg der Gastgeber am Ende völlig in Ordnung geht. Als dieser unter Dach und Fach war, blieb der von mir erwartete gigantische Jubel dann aus. Es schienen eher Felsbrocken von den Herzen zu fallen, dass das Spiel endlich vorbei war. Die Spieler machten vor zwei Blöcken die Welle, was auch gut angenommen wurde, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, dass hier etwas ganz Besonderes erreicht worden war – zumindest nicht für die Stadionbesucher, denn viele nahmen den Sieg recht gelassen hin. Für mich unfassbar, denn Ägypten dürfte gegen Kamerun doch wohl krasser Außenseiter gewesen sein!
So war auch der Rückmarsch vom Stadion auf die Straße und die Feierei auf den Straßen recht bescheiden. Da wird sonst im täglichen Straßenverkehr viel mehr gehupt

Naja, ich beschloss, erst gar nicht auf einen Taxifahrer zu warten, der sich erbarmt anzuhalten, sondern zu Fuß die „paar Meter“ zum Auto zurück zu laufen. Zwei Polizisten danach gefragt, wie ich wohl zum „Al Kahira Stad“ zurück komme, entgegneten diese, dass sie kein Englisch sprächen. Als ich sie darauf aufmerksam machte, dass dies Arabisch ist und das Ganze wiederholte, verstanden sie mich doch und erklärten mir den groben Weg, der zwar nicht ganz stimmte, aber nach „nur“ insgesamt einer Stunde zu Fuß erreichte ich dann doch mein Auto und konnte nach Hause fahren.
Unterm Strich: Enttäuschend, was Kamerun da abgeliefert hat, und enttäuschend, wie wenig ägyptische Fußballfans ihre Nationalmannschaft anfeuern und feiern – vergleicht man mal den Enthusiasmus um ihre Clubteams. Trotzdem bin ich froh, dass ich auch diese Erfahrung gemacht habe, und ich glaube sogar, dass ich immer noch nicht geheilt bin und mir –falls ich noch einmal ins Land der Pyramiden komme- weitere Fußballspiele hier antun werde

Mehr Infos über den ägyptischen Fußball (wenn auch nicht "immer" so ganz aktuell) gibt's unter http://www.egyptianfootball.net .
RWG
Jasch