Da es mich ja beruflich für drei Monate nach Kairo verschlagen hat, nutze ich natürlich gerne die gute Gelegenheit für eine Portion Groundhopping. Vielleicht interessiert es ja den einen oder die andere, wie so ein Fußballspiel und vor allem das ganze Drumherum im Lande der Pyramiden abläuft.
Nachdem am vergangenen Freitag mein Mitbewohner unverhofft einen Dienst von mir übernommen hatte, entschloss ich mich spontan, mir das Halbfinale um die arabische Clubmeisterschaft zwischen dem ägyptischen Vertreter Zamalek (übrigens afrikanischer Champions-League- und Supercupsieger) und Itifak aus Saudi-Arabien anzusehen.
Wie auf der entsprechenden Homepage im Internet zu lesen war, sollte um 19:00 Uhr Anstoß sein, und da es bereits 17:45 Uhr war, zog ich mir nur noch schnell mein KSV-Trikot über und machte mich auf den Weg. Schließlich war das Stadion ein ganzes Stück entfernt und ich rechnete mit einem vollen Stadion, da ich es aus anderen muslimischen Ländern kenne, dass solche Cupwettbewerbe immer tierisch Ernst genommen werden. Das zweite Halbfinale zwischen Rajaa aus Marokko und Kuwait sollte um 21:00 Uhr beginnen, aber das wollte ich mir nicht mehr angucken.
Sich mal schnell zum Stadion fahren zu lassen, war aber gar nicht so einfach, denn der Taxifahrer konnte weder mit „Cairo Stadium“ noch mit „Football“ noch mit meinen Schussbewegungen etwas anfangen. Lediglich Zamalek sagte ihm was (immerhin...), das aber auch nur als Stadtteil Kairos, wo ich ja nicht hinwollte. Dummerweise hatte ich mir auch nicht den Gegner gemerkt, so dass es damit bei ihm hätte „klick“ machen können. Naja, wir fuhren trotzdem erst mal los, und nachdem wir tatsächlich grob Richtung Stadion fuhren, dachte ich, er hätte es wohl doch begriffen, wo ich hin wollte. Als wir dann aber irgendwann das Stadion hinter uns ließen, fragte ich, ob es nicht doch in der anderen Richtung läge. Plötzlich fiel ihm mein KSV-Trikot auf, und ihm muss klar geworden sein, dass ich zum Fußball wollte. Netterweise wies er mich noch zusätzlich darauf hin, dass Anstoß um 19:00 Uhr sei.
Rausgelassen wurde ich nicht direkt am Stadion, sondern in einer Seitenstraße, wo der Kartenverkaufsstand war (am Stadion selbst gibt’s anscheinend gar keine Karten). Nach einer schweren Geburt in Form der erneuten Verständigung mit Händen und Füßen hatte ich endlich meine Karte, für die ich 20 ägyptische Pfund hingelegt hab’ (7 Pfund = 1 Euro). Es sollte sich dann später im Stadion herausstellen, dass das die bessere Kategorie war, denn es handelte sich um Schalensitze, während es in weiten Teilen des Grounds nur durchgängige Brettersitze ohne Rückenlehne gab.
Am Stadion angekommen, war ich etwas erstaunt, dass ich mich gar keines Bodychecks unterziehen musste. Wahrscheinlich sah man mir an, dass ich keinen Ärger wollte

Nun ging’s also rein in den Hauptteil des Cairo International Stadium. So ganz neu war es mir ja nicht, weil ich hier schon mal im Rahmen einer Sightseeing-Tour ein paar Bilder gemacht hatte. Nur, dass diesmal Zuschauer da waren, wenn auch erschreckend wenige. An einer Versorgungsbude (so nenne ich es mal) sprach zum Glück jemand Englisch, und der beantwortete meine Anmerkung, dass ich mit wesentlich mehr Zuschauern gerechnet hatte, damit dass es auch noch mehr werden würden, wenn Zamalek spiele, aber die spielten ja erst um 22:00 Uhr. Ich konnte es nicht fassen und hakte noch mal nach, dass auf dieser Homepage was anderes gestanden habe. Das sei getauscht worden, so der Verkäufer. „Na klasse!“, hab’ ich mir gedacht. Jetzt galt das Ticket zwar für beide Spiele, aber wenn ich das Stadion verlassen würde, um später wieder zu kommen, hätte es keine Gültigkeit mehr. Und außerdem war es ja ein ganz schöner Schleif mit dem Taxi zum Stadion. Das Ganze noch zweimal unnötig hätte ich auch nicht haben müssen. Also bewaffnete ich mich mit Chips, Saft und Wasser und nahm Platz.
Die Teams waren noch beim Aufwärmtraining – was bei der Hitze eigentlich nach Ironie klingt. Interessant war zu beobachten, wie der Trainer der Kuwaitis jede einzelne Aufwärmübung seinen Spielern vormachte und die sie artig ausführten. Wo gibt’s das heute noch im Seniorenbereich? Die Marokkaner zogen es vor, sich einzeln warm zu machen bzw. sich locker die Bälle zuzuspielen. Bei dem ausgedehnten Aufwärmtraining dachte ich, dass die Kuwaitis im Spiel nichts mehr auf die Reihe kriegen, weil sie schon total ausgepowert sind. Aber es sollte anders kommen. In einem eher ausgeglichenen Spiel, das relativ arm an Höhepunkten war, wurden die Marokkaner letztlich zwei Tore zu hoch mit 3:0 bezwungen. Zuvor waren ihnen mehrfach Strafstöße verweigert worden (ich möchte mir aber nicht anmaßen zu sagen, dass es auf jeden Fall welche waren). Als der Schieri dann in der Schlussminute beim ersten Faller der Kuwaitis im marokkanischen Strafraum sofort auf den Punkt zeigte, kannten die Proteste der Nordafrikaner keine Grenzen mehr. Einerseits war das Spiel zu dem Zeitpunkt zwar eh entschieden, aber andererseits wurde man damit nachhaltig daran erinnert, womöglich verschaukelt worden zu sein. Nach dem Abpfiff wurde der Unparteiische heftig von der ganzen Mannschaft des Verlierers angegangen, was die Polizei auf den Plan rief. Erst waren es nur zwei Mann von der weiß gekleideten Touristenpolizei, dann kamen immer mehr blau uniformierte Gesetzeshüter auf den Platz. Alles in allem werden wohl so 25 Polizisten den Schieri und seine Assistenten geschützt und schließlich in die Kabine geleitet haben. Währenddessen ließen sich die Mannen des Siegerteams von den nun schon zahlreicher erschienenen Zamalek-Fans feiern. Es wird wohl eine Riesenüberraschung gewesen sein, und da die Nordafrikaner untereinander eine große Rivalität hegen, kam das den Einheimischen wohl ganz recht.
So, zwischenzeitlich informierte ich mich draußen beim Kartenabreißer noch mal, wann nun Anstoß sei – um 21:00 oder 22:00 Uhr. Und er meinte „at ten“. Und ich fragte noch mal „ten, not nine, yes?“. Und auf einmal sagte er „nine and fifteen minutes“. Mhm, das war doch schon mal was anderes. Der Verkäufer im Innenraum blieb dennoch bei „ten“. Naja, angefangen hat es dann schließlich um 21:48 Uhr. Da hätte ich mir also die ganze Fragerei sparen und im Stadion eine Nacht mit Frühstück buchen können

Beim Anstoß des Hauptspiels war das Stadion immerhin zur Hälfte gefüllt, was zwar immer noch nicht meinen Erwartungen entsprach, aber doch eine gewisse Atmosphäre schaffte. Zumal ich dem harten Kern der Zamalek-Anhänger praktisch gegenüber saß. Ich sah schon während des ersten Halbfinales desöfteren in ein riesiges Meer aus weiß-roten Fahnen und –Fähnchen, was sich natürlich während des Spiels der Gastgeber noch steigerte und von diversen Gesängen begleitet wurde. Zunächst war es ein Spiel auf ein Tor; die Ägypter drängten auf das Führungstor. Als diese dann überraschend in Rückstand gerieten, verflachte das muntere Spielchen zusehends. Nach dem Seitenwechsel kam man jedoch zum Ausgleich, was auch die mittlerweile wohl eingeschlafenen Fans wieder zum Leben erweckte. Letztere hatten nur direkt nach dem Rückstand noch mal ihr Team angefeuert, danach war praktisch nichts mehr gekommen. In den Schlussminuten hoffte ich insgeheim schon, dass kein Tor mehr fällt, weil ich davon ausgegangen bin, dass es dann gleich Elfmeterschießen gibt. Tja, und dann war Schluss, aber die an meinen Nachbarn gerichtete Frage „Penalty-Shootout?“ wurde leider mit „No, Extra-Time!“ beantwortet. „30 minutes?“ – „No, 15 minutes!“. Ah, die neue Silver-Goal-Regelung würde also schon Anwendung finden, dachte ich mir. Na schön! Und Zamalek ging mit 2:1 in Führung, und irgendwann ertönte der Abpfiff, und die Seiten wurden gewechselt – toll

Fazit: Wenn Du in Ägypten ein Fußballspiel besuchen willst, dann bring’ viel Zeit und Geduld mit! Besser, man nimmt sich die nächsten Tage nichts vor, um ganz sicher zu gehen.
Zamalek hat am Sonntag im Finale übrigens den kuwaitischen Vertreter mit 2:1 geschlagen und sich damit die arabische Meisterschaft geholt. Wenn man http://www.angelfire.com/ak/EgyptianSpo ... tball.html noch trauen kann, denn die sind nicht nur immer noch der Meinung, dass das Zamalek-Spiel um 19:00 Uhr angefangen hat, sondern während dort auf der einen Seite zu lesen ist, dass die Saison 2003/04 schon am 24.07. beginnt (ich hatte mich schon gefreut), findet -wie auf der anderen Seite zu lesen ist- der 1. Spieltag erst am 29.08. statt

Ach ja, an Schals scheint man hier sehr schlecht dran zu kommen. Denn entgegen der „Aussage“ (es waren ja eher Wortfetzen, die ihm zu entlocken waren) eines Typen, der neben dem Kartenverkäufer stand, die gäbe es am Stadion, waren dort weit und breit keine zu sehen. Hierzulande wird anscheinend eher mit Fähnchen gewedelt, als dass man Schals um den Hals trägt. Was bei den tropischen Temperaturen im Sommer auch nicht unsinnig erscheint. Fahnen-Händler ziehen vor dem Spiel und in der Pause ständig durch die Reihen und versuchen, die Ware an den Fan zu bringen. Alternativ gibt’s nur so Stirnbändchen zu kaufen, die man sich umbinden kann. Aber dass es irgendwo Schals geben muss, bewies ein kleiner Junge, der als einziger, den ich gesehen habe, einen um hatte. Naja, vielleicht war ich auch nur im falschen Block. Möglicherweise gibt’s im richtigen Fanblock ja noch mehr Schalträger. Who knows...?
Anyway; am 28.08. steigt hier das ägyptische Supercupspiel zwischen Zamalek und dem anderen Kairoer Topclub Ahly. Ein Event, das ich mir auf keinen Fall entgehen lassen darf!
RWG
Jens