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von KSV-Jens » 27. Okt 2010, 17:13
Wie steht es um den deutschen Fußball nach dem DFB-Bundestag in Essen 2010?
Eine Analyse der Freunde des deutschen Fußballs
Punkt 1. Die DFL ist je nach Sachlage ein kompromissloser Interessensverbund von 5, 18 oder 36 Profivereinen.
Punkt 2. Die DFL betreibt seit Jahren eine Abschottungspolitik ihrer Profiligen gegen die übrigen Traditionsvereine. Die Zahl der Absteiger aus der 1. Bundesliga wurde von 3 auf 2,5 gesenkt, und es ist fraglich, ob die Zweitligisten auf Dauer in den Relegationen den halben Platz behaupten können. Noch deutlicher wird das Vorhaben der DFL in der 2. Bundesliga. Die Zahl der Absteiger wurde von 4 auf 3 auf 2,5 gesenkt. Auch hier werden die Drittligisten den halben Platz auf Dauer kaum behaupten können. Aus der 3. Liga steigen auch nur 3 von 20 Vereinen ab. Aktuell sind 2 oder 3 Aufsteiger aus den Regionalligen in der Diskussion (DFB-Vizepräsident Hocke), 2 von 90 wohlgemerkt. Besser kann man den Regionalligisten einen Aufstieg kaum verbauen.
Punkt 3. Die DFL-Vereine blockieren mit ihren U23-Mannschaften in der 3. Liga und besonders in den Regionalligen viele Startplätze für andere Traditionsvereine. Diese werden immer mehr in einen ruinösen Wettbewerb getrieben (Mannheim, Essen, Bonn, Tennis Borussia Berlin, Altona, Bamberg, Reutlingen, Ulm, Darmstadt, Münster, Kassel etc.) oder verzichten gleich ganz auf die Regionalliga (z.B. alle Nord-Vereine außer Niedersachsen). Die DFL unterdrückt den Amateurfußball offensichtlich. Die Amateurvereine und -verbände wehren sich noch nicht einmal, wenn die DFL praktisch allein bestimmt, wie die vierthöchste Spielklasse auszusehen hat. 35 U23-Mannschaften in dann fünf Regionalligastaffeln sind definitiv zu viel und werden den "dummen" Fans auch noch vom DFL-Präsidenten Rauball als Solidarpakt und Konsensmodell verkauft. Nein, der DFB-Bundestag in Essen war kein Ort der Demokratie. Es gab Wahlergebnisse wie auf SED-Parteitagen und keine einzige Gegenrede in Sachen Regionalligareform. Das lässt sehr, sehr tief blicken.
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Wir sehen, der Machtkampf zwischen der DFL und den kleinen Amateurvereinen ist zugunsten des Kapitals entschieden. Nun sind wir Fans gefordert, den Kleinen zu helfen. Und zwar die gesamte Fanbasis, nicht nur die von den Amateurvereinen, sondern vor allem die von den einflussreichen Profivereinen. Denn wenn der eigene Verein in die Viertklassigkeit abstürzt, hat er die gleichen Probleme wie die jetzigen Amateurvereine in der von U23-Mannschaften überschwemmten und tot reformierten Regionalliga. Unser Ziel ist es, in Deutschland die Tradition der durchlässigen Ligen wiederherzustellen. Ein Regionalligist mit einem begeisterungsfähigen Umfeld und einem guten Trainer-Manager-Gespann muss auch ohne das ganz große Kapital mittelfristig in die Bundesligen hochkommen können. Wir wollen die Wechselbäder wie Auf- und Abstiege und Ab- und Aufstiege. Wir wollen keine abgeschotteten Ligen wie die DFL, nein, wir wollen Fußball ohne Grenzen. Die DFL kann uns Fans auf diesem Weg immer noch helfen und ihr schlechtes Image reparieren, indem sie für faire und attraktive Wettbewerbe sorgt und zusätzlich den Amateurfußball jährlich für den erlittenen Zuschauerschwund durch die vielen Fernsehübertragungen entschädigt. Das darf sich dann auch Solidarpakt nennen, um Rauballs euphemistische Umschreibung der aktuellen Katastrophen-Reform zu benutzen. Wir wollen nicht, dass die einen kassieren und die anderen bluten.
Ein wichtiger Aspekt sind die zweiten Mannschaften. Es ist für die Fußballer demographischer Nonsens und für die Fans ein Etikettenschwindel, die Regionalligen mit U23-Mannschaften zu überschwemmen. Es laufen jetzt schon jedes Jahr in den Regionalligen rund 1.000 U23-Spieler auf, denn auch die Amateurvereine bilden viele Juniorenspieler aus. Alle zwei, drei Jahre kommt dann die nächste Generation. Rechnet man das auf die langjährigen Stammkräfte in der 1. Bundesliga mit einem Ausländeranteil von über 40 Prozent hoch, fallen schon statistisch neun von zehn deutschen Juniorenspielern aus den Regionalligen durch das Rost. Zudem kommen etliche Bundesligaspieler aus der 3. Liga oder direkt aus einer Juniorenbundesliga. Es besteht also kein Anlass, in Zukunft über die Formel 5x7 noch weitere U23-Mannschaften in den vierthöchsten Spielklassen zu installieren. Würde man deren Anzahl endlich reduzieren, könnten auch die schwächeren Amateurvereine gute Juniorenspieler verpflichten, und das VdV-Camp für arbeitslose Spieler wäre nicht von guten Routiniers überlaufen, die den Altersregelungen zum Opfer fielen. Eine an die demographischen Begebenheiten angepasste Regionalligareform würde eine sportlich gesündere Mischung aus Jung und Alt in den vierthöchsten Spielklassen erzeugen. Die Reduzierung der U23-Mannschaften ist das eine, das andere sind die unattraktiven Tabellenbilder wie in der Regionalliga Süd, wo Hessen Kassel die Tabelle vor sechs U23-Mannschaften anführt. Warum sollen da in Darmstadt und Ulm überhaupt noch größere Zuschauermengen kommen? Das Problem muss jeder DFL-Manager sehen. Trotzdem reden die Herren Peters (Schalke), Bruchhagen (Frankfurt) und Rettig (Augsburg) nur über ihre Nachwuchsförderung, da sie als Mitglieder im DFL-Präsidium nur systemtreue Aussagen tätigen können oder dürfen. In Wahrheit wissen sie genauso wie wir, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Also müssen wir und insbesondere die Fans der eigenen Bundesligaklubs das Reden und Handeln für die DFL-Funktionäre übernehmen. Eine gute Lösung, um die Amateurvereine im sportlichen Wettstreit mit den Bundesliga-Reserven zu stärken, wäre übrigens, diese als U21-Mannschaften mit maximal drei älteren Spielern auf dem Platz weiterzuführen.
Aus diesen Erkenntnissen heraus haben wir ein 4-Punkte-Programm erstellt. Wir formulieren ganz bewusst keine konkrete Einteilung der Regionalliga in zwei, drei, vier oder fünf Staffeln, weil das von verschiedenen Parametern abhängt. So macht das 2+1-Modell nur Sinn, wenn die Vereine über handfeste Fernsehgeldbeträge ihren Sicherheitsdienst und die weiten Auswärtsfahrten finanzieren können. Auch sind wir nicht der Meinung, dass man die U21-Mannschaften in eigene Ligen verbannen muss. Wir zählen uns also nicht zur Gruppierung "Pro Regionalliga-Reform 2012", deren unermüdlichen Einsatz wir trotzdem zu schätzen wissen. Wir wollen den Konsens mit der DFL, aber auf einer fairen und nicht geheuchelt fairen Basis. Wir Fußballfans stellen folgende unmissverständlichen Forderungen an die DFL und den DFB.
4-Punkte-Programm
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1. Ligasystem
+ 1. und 2. Bundesliga bleiben eingleisig
+ 3. Liga bleibt nur bei einem schlüssigen Konzept für den Unterbau ebenfalls eingleisig.
+ Die vierthöchste Spielklasse verteilt sich auf zwei bis fünf Staffeln, um eine sportliche Qualität zu wahren (kontra Bayern-Modell). Bei mehr als zwei Staffeln erhalten die Aufsteiger Prämien in einer unteren sechsstelligen Höhe oder einen Platz im DFB-Pokal, um das Leistungsgefälle zur 3. Liga zu überbrücken.
2. Wiederherstellung der Durchlässigkeit zwischen den Ligen
+ 1. Bundesliga konstant 3 Absteiger
+ 2. Bundesliga konstant 3 Absteiger
+ 3. Liga konstant 4 Absteiger oder 3-4 Absteiger (der vierte Verein spielt dann Relegation)
+ den viertklassigen Amateurvereinen werden drei Aufstiegsplätze garantiert. Aufstiegsrunden zur 3. Liga oder Relegationen finden ohne U21-Mannschaften statt, die maximal einen eigenen Aufsteiger stellen dürfen.
3. Beschränkungen der Reservemannschaften (ehemals U23-Mannschaften)
+ in den Reservemannschaften dürfen nur noch U21-Spieler und drei ältere Spieler mitwirken.
+ die Anzahl der neuen U21-Mannschaften wird in den Spielklassen 3 und 4 auf maximal vier Mannschaften pro Staffel begrenzt, oder sie müssen in eigenen Staffeln spielen.
+ jedem Amateurverein werden mindestens 13 Heimspiele gegen andere Amateurvereine garantiert.
+ qualifizieren sich mehrere U21-Mannschaften für den Aufstieg in die 3. Liga, müssen sie eine eigene Aufstiegsrunde oder Relegation mit einer U21-Mannschaft aus der 3. Liga spielen.
4. Beteiligung aller viertklassigen Amateurvereine an den Fernsehgeldern in angemessener Höhe
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Diese Forderungen lassen sich unmöglich durchdrücken? Oh doch, wir werden euch einen Weg zeigen, wie das geht. Wir müssen eine große und starke Protestbewegung werden, und wir müssen schnell und effektiv handeln. Rauball & Co. reiben sich doch schon die Hände, wie glimpflich sie die Regionalligareform aussitzen konnten. Aber die Herren werden sich noch umgucken, wenn sich unsere gemeinsame Sache wie ein Lauffeuer durch die Bundesliga- und Amateurfußballforen verbreitet. Aber wie kann man wirklich Druck auf die DFL ausüben? Wir lesen in verschiedenen Foren von Petitionen, Spruchbändern, Choreographien und Beschwerde-E-Mails. Das sind gute Ansätze, aber sie werden die DFL kaum zum Einlenken bringen. Man muss ihnen direkt an die Geldbörse gehen. Gleich seht ihr eine Aufstellung, wie ihr die DFL und den DFB an ihrer empfindlichsten Stelle treffen könnt. Wenn ihr weitere Ideen habt, publiziert sie hier. Wenn die Liste fertig ist, treten wir unseren Weg durch alle Fußballforen an.
Unser Plan ist, wir setzen der DFL eine Frist bis Weihnachten, dann muss sie sich in der Frage der Regionalligareform eindeutig zu einer fanfreundlichen Lösung durchgerungen haben. Ansonsten beginnt die Stufe 1 unseres Boykotts ab der Rückrunde. Jeder von euch kann auf seine ganz individuelle Art teilnehmen, Solidarität mit den Amateurvereinen zu üben. Einige Dinge könnt ihr leichter boykottieren, andere schwerer, keine Frage. Auch der Zeitpunkt, wann ihr einsteigen möchtet, steht euch frei. Einige von euch fangen vielleicht schon vor der Rückrunde an, andere wollen erst lieber ab der nächsten Saison voll einsteigen, alles kein Problem. Aber was könnt ihr alles boykottieren, um beim DFB und bei der DFL ein Umdenken zu erreichen?
Boykott-Liste zur individuellen Auswahl:
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+ ARD-Sportschau (1. und 2. Bundesliga und 3. Liga)
+ Sportschau in den Dritten Programmen (1. und 2. Bundesliga)
+ ZDF-Sportstudio
+ Sport1 (2. Bundesliga)
+ DFB-Pokalspiele auf ARD/ZDF
+ Sat1 (Champions League und Europa League)
+ Fußball-Fernsehmagazine
+ Besuch von Bundesligaspielen
+ Besuch von Amateurspielen mit Beteiligung einer U23-Mannschaft
+ Produkte der großen Bundesligasponsoren (Sky, Adidas, Krombacher)
+ Sky-Abo schon jetzt zum nächstmöglichen Zeitpunkt ordentlich kündigen mit der Begründung, die DFL müsse zuerst ihre Macht zurücknehmen und für ein gerechtes Ligasystem sorgen, bevor an einen weiteren Abschluss bei Sky gedacht wird
+ DFB-Mitgliedschaft kündigen
+ Freundschafts- und Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft
+ WM- und EM-Fußballturniere der Nationalmannschaft
+ Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland
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Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Wir müssen es auch nicht an einem Tag abreißen..Jeder kann, wenn die DFL unsere Forderungen ignoriert, erst einmal das boykottieren, was er möchte. Und wohin mit der gesparten Zeit? Man kann in der fußballfreien Zeit joggen, Bücher lesen, andere Sportarten gucken, mit der Ehefrau plaudern, mit seinen Kindern spielen, mit Kumpels um die Häuser ziehen und all die anderen Dinge tun, wozu man sonst nicht mehr kam. Vielleicht kommt ihr sogar auf den Geschmack. Der DFL würde diese Entwicklung nicht gefallen, und sie sollte besser vorher einlenken. Stellt euch vor, bis Weihnachten erklärt sich die DFL nicht, und es flattern 50.000 Kündigungen bei Sky ins Haus mit der immer gleichen Begründung. Und das wäre erst der Anfang. Bleibt die DFL hart, wird der Pleitesender bei der nächsten Ausschreibung der Fernsehverträge nicht mehr mitbieten, und DFL-Geschäftsführer Seifert bekommt von den anderen Medienunternehmen zu hören: "Es tut uns Leid, aber wir können Ihnen für das Gesamtpaket leider nur 100 Millionen Euro weniger bieten als geplant." Und das ist ja erst Stufe 1, die wir da in den nächsten Wochen und Monaten zünden wollen. In Stufe 2 werden wir eine Anti-Dauerkartenaktion starten, schwarze Listen mit zu boykottierenden Bundesligaspielen erstellen und sogar ganze Bundesligaspieltage bestreiken. Was würde Eintracht-Manager Heribert Bruchhagen wohl sagen, wenn plötzlich 10.000 solidarische Frankfurter in seinem Stadion fehlen? Oder Andreas Rettig, wenn beim FC Augsburg 2.000 Fans einfach wegbleiben? Bestreiken wir drei Spieltage hintereinander, werden die Bundesligavereine bei der DFL Sturm laufen. Aber für uns werden nicht mehr wohlfeile Worte zählen, sondern Entscheidungen im Sinne der Fans und aller Vereine, also auch der Amateurvereine. Der Scheinversuch auf dem DFB-Bundestag in Essen war Grütze.
Wollen wir das große basisdemokratische Spiel spielen? Ja? Dann lasst uns den Text in die anderen Fußballforen kopieren, und darunter kann dann jeder User in einem eigenen Beitrag schreiben, welche Dinge er in der Stufe 1 boykottieren würde. Über die Foren werden wir unser Anliegen in die Stadien und in die Presse tragen. Dann kommen auch die Spruchbänder, Choreographien, Petitionen und Beschwerde-E-Mails wieder ins Spiel (z.B. wenn euer eigenes offizielles Vereinsforum das Thema löscht). Wir sind eine Gruppe aus der Mitte der Gesellschaft. Uns kann man nicht drohen wie den kleinen Vereinen. Wir können frei entscheiden. Und wir haben uns gegen die jetzige Regionalligareform entschieden und fordern die Erfüllung des 4-Punkte-Programms von oben. Wir wollen Fußball ohne Grenzen!
Spürt ihr schon die Kraft der Bewegung? Wenn ja, dann macht alle mit. Es geht um den Fußball von morgen. Holen wir uns das Spiel zurück!
Freunde des deutschen Fußballs
(der Text wurde während des DFB-Pokalspiels Bayern München - Werder Bremen erstellt)