Zivischlacke hat geschrieben:@firehouse: Keine Angst, ich wollte nur ein wenig provozieren. Habe das "aufgeSChrieben" gestern auf der Heimfahrt im Zug gelesen und war von dem Willen, Alternativen mit den Entscheidungsträgern zu entwickeln, sehr angetan.
Dennoch hat es meines Erachtens einen faden Beigeschmack, wenn immer und immer wieder gebetsmühlenartig betont wird, dass Politik ganz pauschal - von Einschränkungen à la "Vereinspolitik schon" war nie die Rede, werter Frosch! - im Stadion nichts verloren habe und dann solche Aktionen gestartet werden.
Und der Beigeschmack verstärkt sich, wenn etwa die Ultràs DA für ihre klare antirassistische Positionierung kritisiert werden, weil Politik ja nichts im Stadion bla, seier, schwall und sülz.
Ich will damit der SC 913 keineswegs eine rassistische Grundhaltung unterstellen, das wäre völliger Blödsinn. Aber dieser Verdacht kann aufkommen, wenn eine diesbezüglich Positionierung mit dem dämlichsten aller Argumente immer wieder zerredet wird, dann aber auf der anderen Seite "Vereinspolitik" betrieben wird.
Übrigens wird von den Ultràs ständig Politik in eigener Sache betrieben: Stadionverbote, Regionalliga-Reform und nun eben die mögliche Umbenennung des Auestadions sind nur einige Punkte.
Mir erschließt sich einfach nicht, wie man sich da so gegen eine Sache des gesunden Menschenverstandes - Antirassismus ist nämlich keineswegs eine "linke" Position, sonst wäre unser Grundgesetz ja ein linkes Pamphlet! - sperren kann.
Und jetzt zerreißt mich zusammen mit Axel. Möge nur hinterher jemand die Sauerei wegmachen.
Tja, dann will ich mal anfangen, mit dem Zerreißen

Zunächst einmal gebe ich dir recht, was die stetigen Bekundungen angeht, Politik gehöre nicht ins Stadion. Die gab es und die gibt es. Zu Recht. Dass damit allerdings nicht solche Dinge gemeint sind, wie von dir aufgeführt (Stadionumbenennung, Stadionverbote, Regionalligareform), ist doch selbstverständlich. Der Begriff Politik wird vielleicht ein bisschen zu pauschal ge- bzw. missbraucht, um etwas zu beschreiben, was man eigentlich gar nicht meint.
Wikipedia sagt: „Das Wort Politik bezeichnet die Angelegenheiten, die die Einrichtung und Steuerung von Staat und
Gesellschaft im Ganzen betreffen. Es umfasst dabei alle Aufgaben, Fragen und
Probleme, die den Aufbau, den Erhalt sowie die Veränderung und Weiterentwicklung der öffentlichen und
gesellschaftlichen Ordnung anbelangen.
Politik bezeichnet jegliche Art der
Einflussnahme und Gestaltung sowie die
Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder
öffentlichen Bereichen.“
Somit gehört Politik im eigentlichen Sinne natürlich ins Stadion. Du nennst ja die Beispiele. Faninteressen sind dabei Teil der gesellschaftlichen Ordnung. Würde man „Politik“ laut Definition gänzlich ignorieren, gäbe es ja schließlich nicht solche Aktionen wie die Demo vor 2 Wochen in Berlin oder die zahllosen Spruchbänder im ganzen Land, welche jedes Wochenende aufs Neue verschiedenste Missstände anprangern und Lösungsvorschläge abliefern. Nicht umsonst gibt es „politische“ Zusammenschlüsse von Fußballfans, wie etwa ProFans oder BAFF. Die Fankultur in Deutschland ist politischer als man denkt und dabei ungeheuer aktiv, lebendig und demokratisch. Viel geschieht allerdings im Verborgenen, nur wenig wird medienwirksam inszeniert, wie die Demo in Berlin. Die angesprochenen Spruchbänder aus anderen Stadien kriegen Fans eines Vereins meistens nicht mit, da sie sich nicht dafür interessieren. Drum gibt es auf Ultraebene etliche Medien und Organisationen, um sich auszutauschen und zu kooperieren, beispielsweise den BFU oder ProFans.
Alles das bräuchte es nicht geben, wenn man der Meinung wäre, Politik (im Sinne der oben stehenden Definition) gehöre nicht ins Stadion. Dafür sind der Fußball und vor allem die Fankultur zu eng mit ihr verknüpft. Die Kommerzialisierung, der DFB, die Polizei, Sponsoren und Mäzene lassen einem gar keine Wahl.
Fußballfans sind Teil der gesellschaftlichen Ordnung und wollen gewisse Zustände logischerweise auch je nach Einzelfall „erhalten, verändern oder weiterentwickeln“. Es gibt eben auch fanpolitische Forderungen und Ziele, der Versuch diese durchzusetzen, ist Politik. Ganz einfach.
Dass man dies niemals explizit erläutert, wenn man davon spricht, dass man als Ultras Kassel das Thema Politik nicht im Stadion haben möchte, liegt eventuell an der blauäugigen Auffassung, die Allgemeinheit würde diese Hintergründe schon so verstehen. Dem ist anscheinend nicht so.
Themen die in diesen Topf gehören, den man bisher immer so unpräzise als Politik bezeichnete, sind unter anderem solche Dinge wie Stuttgart 21, Gesundheitsreformen, Wahlkampf, Steuererhöhungen, Integrationsdiskussionen, Benzinpreise, Thilo Sarrazin, Alice Schwarzer, Jörg Kachelmann, Dominik Brunner, Piraten vor Somalia, Angela Merkel, etc. etc.
Auch wenn wohl jeder eine mehr oder weniger fundierte Meinung zu diesen oder ähnlichen Themen/Personen hat, gehören diese eben nicht ins Stadion. Dort interessiert es einfach nicht, ob nun jemand FDP- oder SPD-Wähler ist, ob er für Stuttgart 21 ist, oder dagegen.
Dass Rassismus nichts mit Politik zu tun hat, sollte auch klar sein. Anti-Rassismus ist eine Selbstverständlichkeit, auch innerhalb der SC und ohne zuviel verraten zu wollen, hat es auch aus Gründen die eben jenes Ressort betreffen, schon personelle Veränderungen in der Gruppe gegeben. Der Unterschied ist eben immer, worauf man sein Hauptaugenmerk legt. In Kassel genießt der Fußball, der Verein und die Kultur Ultra Priorität. Die Ultras DA positionieren sich nicht einfach nur klar gegen Rassismus. Wie gesagt, das wäre ja kein Problem sondern einfach eine Selbstverständlichkeit. Sie verkommen von einer politischen Ultra-Gruppierung zu einer ultra-orientierten Antifa-Gruppierung. Es gibt nun mal in Kassel sowohl unter den jungen, als auch unter den älteren Stadionbesuchern sowohl linke, als auch rechte. Inwiefern ein jeder mit diesen Personen zu tun hat, bleibt jedem selbst überlassen. Auch ist die SC keine Stadionpolizei, die jeden auf den Weg der Erkenntnis bringen muss. Solange niemand den Fußball, den KSV oder die Gruppe in Verruf bringt, weil er meint, eine Plattform für seine Ideologie gefunden zu haben, kann man niemandem das Fan-Dasein absprechen, nur weil er politisch nicht so denkt, wie man selbst das gerne hätte.