Probleme mit Defensivtaktik der Gegner noch nicht überwunden

ZWICHEN BAUM UND BORKE
Ernste Gesichter, lange Gesichter, wütende Gesichter - und in allen spiegelte sich die Enttäuschung wider, die das 1:1 gegen Waldmichelbach ausgelöst hatte.
Die beiden bitteren Punktverluste hoben die nach dem Darmstadt-Coup heile Fußballwelt des KSV Hessen gleich wieder aus den Angeln. Vertrieben die Euphorie, geplatzt alle frühreifen Aufstiegsträume.

Zerstört von der Brachialgewalt, mit der die Männer aus dem Odenwald die Hoffnungen der Löwen und ihres Anhangs in den tiefen Boden des Auestadions stampften. Ein böses Erwachen, auch für den KSV-Trainer. "Wir bewegen uns im Moment zwischen Baum und Borke. Wenn wir unser Ziel erreichen wollen, dann müssen wir einfach profihafter werden", erklärte Hans-Ulrich Thomale.

Das, was der Coach mit seiner Kritik ansprach, zieht sich wie ein roter Faden durch etliche Heimspiele. Gegen die überwiegend total defensiv eingestellten Gegner offenbart der KSV spielerische Mängel. Nicht im Einsatz und Kampfeswillen. Die Einstellung stimmt. Aber im zu langsamen, ungenauen Spielaufbau, wie am Samstag in Halbzeit eins. Mangelhaft auch das Ausnutzen der wieder ausreichend vorhandenen Torchancen (Cesar!). Da kann selbst fehlendes Glück, wie bei den Lattentreffern gegen Waldmichelbach, nicht als plausible Ausrede gelten. "Wir hätten die Entscheidung mehr erzwingen müssen, nach dem 1:0 noch einen Gang nachlegen", erkannte Kapitän Thorsten Schönewolf selbstkritisch.

Hätte, wenn und aber. Hätten die Löwen nach der Führung durch Chalaskiewicz (53.) den zweiten Treffer gesetzt, wäre Schiedsrichter Schweinberger aus Wiesbaden seiner Möglichkeit beraubt gewesen, sich zum Scharfrichter Kasseler Siegträume aufzuspielen. So nahm der unsichere Spielleiter die übertriebene Grätschattacke von Krause gegen den fallsüchtigen Cin ohne Zögern zum Anlass, die Odenwälder Holzauktion mit dem Strafstoß zum 1:1 zu belohnen (80.).

Dumm gelaufen. Weil Spielmacher Chalaskiewicz über 90 Minuten den heißen Atem seines unerbittlichen Bewachers Bauer im Nacken spürte. Weil Rudi Istenic im Mittelfeld zwar eine Reihe guter Szenen hatte, aber es ihm noch an Tordrang und Kondition mangelt. Auch weil (wieder einmal) das Spiel der Löwen über die Flügel zu ungenau und drucklos war. Und Trainer Thomale hatte in der mangelhaften Spielübersicht des immer besser in Schuss kommenden Julio Cesar ein weiteres Manko ausgemacht.

"Die Leute jubeln, wenn der Cesar an der Außenlinie fünf Gegenspieler verarscht, dann aber verschießt, anstatt zum frei stehenden Chala zu passen, der das 2:0 machen kann. Das kann ich nicht verstehen."

Genauso schmal wie eine Torlatte war also diesmal der Grat zwischen Freud und Leid. Wäre der Ball nach Cesars Solo und Torschuss vom runden Aluminium nicht zurück ins Feld, sondern ins Tor geprallt, alles wäre gut gewesen. Und statt ernsten, langen und wütenden Gesichtern hätte es im Löwenlager wieder strahlende Mienen gegeben.

<i>(Rolf Wiesemann/HNA-Sportredaktion, 29.03.2004)</I>

Veröffentlicht: 29.03.2004

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