Ohne Glück und Abgeklärtheit

KSV Hessen - Sportfreunde Siegen 0:0 (0:0)
Es hatte nicht viel gefehlt, und der Masterplan der Löwen wäre aufgegangen. Eigentlich war alles optimal verlaufen: Eine erste Halbzeit, in der der Gegner kontrolliert wurde; und dann eine zweite, die eines wahren Sturmlaufs der roten Kasseler glich. Das einzige, was letztendliche fehlte, war das im Fußball entscheidende: die Tore. So verkam der Masterplan zur grauen Theorie, der sich gegen destruktive Siegener schlichtweg nicht umsetzen ließ.

Ein torloses Remis gegen die Unentschieden-Könige aus Siegen also. Und obwohl wesentlich mehr möglich gewesen wäre, war Löwen-Trainer Matthias Hamann nicht gänzlich unzufrieden. Überraschenderweise hatte er nach dem Desaster in Pfullendorf (2:5) vor einer Woche auf Änderungen verzichtet und die gleiche Elf ins Rennen geschickt. Dasselbe Team sollte sich rehabilitieren - ohne Beyer, ohne Schönewolf, ohne Busch und auch ohne den erstmals spielberechtigten Petrukhin. „Die Mannschaft hat eine Riesenreaktion gezeigt“, resümierte Hamann. Selbstsicher seien seine Mannen aufgetreten und hätten das Vertrauen gerechtfertigt, obwohl vor dem Siegener Tor mal das Glück, mal die Abgeklärtheit fehlte.

Glück hatten stattdessen die Siegener. Glück, dass der KSV aus seiner klaren Überlegenheit in der zweiten Halbzeit kein Kapital schlug und vier Großchancen vergab. Für Marc Fascher, erst seit Dienstag Coach in Siegen und Nachfolger des abgewanderten Ralf Loose, war es das Glück des „Fleißigen“, „denn wir haben uns das Glück erarbeitet“. Obwohl Fascher bis dato kaum Zeit hatte, sein Team überhaupt richtig kennen zu lernen, stellte er taktisch und auch personell um. Aus Looses 4-4-2 wurde ein 3-4-3. Hört sich offensiver an, war in der Umsetzung aber defensiver denn je. Denn die Dreierkette in der Verteidigung ähnelte des Öfteren eher einer Fünferkette, weil sich die Außen Weikl und Gallego fast ausschließlich nach hinten orientierten. Sie wurden im Mittelfeld zumeist durch die beiden eigentlichen Außenstürmer ersetzt, die vor allem in der zweiten Halbzeit kaum noch offensiv in Aktion traten und stattdessen mit den Teamkollegen hinten Beton anrührten.

So richtig angefangen hatte das Spiel erst nach einer Stunde. Die erste Halbzeit, in der sich beide Teams „neutralisierten“ (Fascher), in erster Linie „auf Torsicherung bedacht waren“ (Hamann) und sich somit nichts Nennenswertes ereignete, hatte keinen der 5.800 vom Hocker gerissen. Eine Aktion von Denis Berger, der die erste hochkarätige Chance des Spiels vergab, war die Initialzündung für einen wahren Sturmlauf der Löwen, die die sowieso schon destruktiven Gäste nun vollends in der eigenen Hälfte fesselten. Berger spielte an der Strafraumgrenze einen Doppelpass mit Bauer, bekam den Ball in exzellenter Position zurück und scheiterte freistehend am herauseilenden Keeper Wulnikowski.

Zwei Minuten später die nächste „Hundertprozentige“: Serdar Bayrak, der nach einer schwachen ersten Halbzeit zum besten Mann auf dem Platz avancierte, startete auf rechts durch, dribbelte Gallego aus, zog nach innen und scheitere aus zwölf Metern am Innenpfosten. Keine 180 Sekunden danach setzte sich zum wiederholten Male der Türke auf seiner Seite durch, flankte nach innen, wo der Siegener Weikl unmittelbar vor dem einköpfbereiten Bauer rettete.

Und dann war da noch die Chance von Sebastian Wojcik. Kurz zuvor eingewechselt, hatte der Stürmer als letzter Löwe den überfälligen Siegtreffer auf dem Fuß. Hätte es da schon 3:0 gestanden - das 4:0 des Deutsch-Polen wäre reine Formsache gewesen, keine Frage. War es aber nicht, weil seine Teamkollegen einerseits eben nicht vorgelegt hatten, Wojcik andererseits überhastet abschloss und den Ball darüber hinaus aus zehn Metern nicht richtig traf (75.). Es war ein Klassepass von Serdar Bayrak in die Gasse gewesen, den Thorsten Bauer noch für Wojcik durchgelassen hatte. Was wäre passiert, wenn der selbst bestens postierte und so abschlusssichere Torjäger die Sache selbst in die Hand genommen hätte? Gedankenspiele.

Weil Fußball aber nun mal Fußball ist, sich das Auslassen größter Chancen schon mal rächen und der Gegner auch aus null Chancen ein Tor machen kann, hätte es dann zu allem Überfluss fast noch auf der Gegenseite geklingelt. Einen der wenigen Siegener Eckbälle köpfte Abwehrmann Assoumani nur knapp vorbei (81.). Die einzig wirklich gefährliche Situation der ansonsten enttäuschenden Siegener, die sich am Ende erfolgreich einen Zähler ermauerten.

„Wir hätten die drei Punkte hier behalten müssen“, wusste auch Matthias Hamann. Dennoch befinde sich sein Team auf einem guten Weg, es sei ja schließlich „alles in Ordnung“ gewesen bis auf jenes „eine Törchen, das uns nicht vergönnt war“. Besser machen können es die Löwen in der Regionalliga erst in vierzehn Tagen, wenn das Auswärtsspiel bei der Bayern-U23 ansteht. Wegens des Länderpokals ist für kommendes Wochenende kein Punktspiel angesetzt. Dafür wird unter der Woche getestet: Am Mittwoch in Dörnberg (Bezirkspokal-Finale), am Freitag beim Nord-Regionalligisten Oberhausen.

Von Michael Brehme

KSV Hessen: Adler - Möller, Willers, Zinke, Kümmerle - Bayrak, Fießer, Schmidt (86. Busch), Berger - Bauer, Strobel (72. Wojcik)

Siegen: Wulnikowski - Bogusz, Islamoglu, Assoumani - Weikl, Pfingsten, Gaede, Gallego - Müller (46. Okpala), Popovic (69. Pospischil), Blessin

SR: Maier (München) - Zuschauer: 5.800 im Auestadion - Gelbe Karte: Weikl


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Veröffentlicht: 06.10.2007

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Datum des Ausdrucks: 18.04.2024