Der Regisseur sagt den Löwen ade

ANDREAS MAYER
KSV-Hessen-Kapitän Andreas Mayer verlässt Nordhessen und heuert beim FC St. Pauli an.
KASSEL. Die Ära Andi Mayer bei den Löwen ist beendet. Es tut mir Leid um den KSV Hessen. So eine Chance aber kann ich mir nicht entgehen lassen, erklärte gestern der 30-jährige Mittelfeldstratege, nachdem er sich mit dem Zweitliga-Absteiger FC St. Pauli auf einen Zweijahresvertrag geeinigt hatte. Mayer und Vereinsvertreter des Hamburger Kultklubs hatten sich am Donnerstag und Freitag zu jeweils mehrstündigen Verhandlungen im St. Pauli-Klubhaus getroffen. Die Entscheidung über den Wechsel fiel dann gestern am späten Nachmittag. Unterschrieben sei zwar noch nichts - so der bisherige Kapitän der Löwen - alles sei aber unter Dach und Fach gebracht worden. Ab dem 1. Juli gehöre ich zum Team des FC St. Pauli. Beim KSV Hessen nahm man die Nachricht mit Bedauern auf. Andi hat mich eben telefonisch informiert. Wir konnten leider nicht mithalten, sagte Vereinsvorsitzender Jens Rose. Er kündigte an, dass man sich ab sofort um einen Ersatz bemühen wolle. Mit einigen ehemaligen Bundesligaspielern habe man schon im Vorfeld Kontakte aufgenommen. Jetzt gehe es darum, Entscheidungen zu treffen. Rose: Gesucht wird ein gestandener Akteur, der auf dem Platz die Chefrolle übernehmen kann und der menschlich zum Team passt. Die Chancen stünden nicht schlecht angesichts der Tatsache, dass es zurzeit viele arbeitslose Profis gebe. Mayer, ein früherer Champions-League-Spieler des FC Aberdeen sowie des norwegischen Meisters Rosenborg Trondheim, war vor knapp zwei Jahren zum damaligen Landesligisten KSV Hessen gestoßen. Mit seinen außergewöhnlichen technischen, aber auch kämpferischen Eigenschaften hatte er großen Anteil am Aufstieg des KSV ins Amateuroberhaus vor einem Jahr sowie am Gewinn der Vizemeisterschaft in der Oberliga. Mayer bestritt für die Nordhessen 42 Punktspiele, in denen ihm 26 Tore gelangen. Gefürchtet waren vor allem seine Freistoßknaller. Noch einmal wird sich der Regisseur das Trikot der Löwen überstreifen: Am 27. Juni im Testspiel gegen Borussia Mönchengladbach. Mayer denkt an einen Kurzeinsatz, mit dem er sich dann vom tollen Publikum in Kassel verabschieden möchte. Sein neuer Arbeitgeber, für den er bereits Anfang der 90-er Jahre in der zweiten Bundesliga auf dem Feld stand, war zuletzt in argen finanziellen Nöten. Die Drittliga-Lizenz war sogar gefährdet. Zwei Millionen Euro fehlten. Mit Hilfe zahlreicher Aktionen wie Saufen für St. Pauli (pro Bier auf der Reeperbahn flossen 50 Cent in die Vereinskassen), T-Shirt-Verkäufen sowie dank zugesagter Benefizspiele des FC Bayern und des HSV gelang es, den Kiezklub wieder auf die Beine zu stellen.

<i>ULRICH BREHME</i>

<i>(HNA-Kassel; 07.06.2003)</i>



KOMMENTAR
<b>Tschüss, Andi</b>

<i>Ulrich Brehme über den Abschied Andi Mayers.</i>

Was haben die Löwen-Fans sie geliebt, die schnellen Vorstöße Mayers in den gegnerischen Strafraum, seine präzisen Zuspiele, die Lupfer über die Abwehrmauern. Damit ist es jetzt aus und vorbei. Einmal noch wird sich der für Oberliga-Verhältnisse geniale Techniker und Mittelfeldstratege das Trikot des KSV Hessen überstreifen, ehe er endgültig seinen zahlreichen Fans ade sagt und in Richtung St. Pauli entschwindet. Zwei Jahre kickte der ehemalige Champions-League-Spieler Mayer in der nordhessischen Fußballprovinz. Zunächst notgedrungen, weil sich nach einer schweren Verletzung kein Profiverein für ihn fand, und später, weil es ihm Spaß brachte. Er wurde in Kassel Leitwolf, Kapitän und Sympathieträger - mehr kann ein Fußballer kaum werden. Das Leben auf dem Sportplatz geht weiter. Für den KSV Hessen, der auch im kommenden Jahr um die Meisterschaft mitspielen will, bedeutet dies, schnellstmöglich auf dem Transfermarkt nochmal zuzuschlagen. Obs gelingt, einen gleichwertigen Ersatz zu finden, steht dahin. Aber auch für Mayer ist der Wechsel mit Risiken verbunden. In Nordhessen war er auf dem Weg, eine Kultfigur zu werden. Beim Kultklub in Hamburg aber ist er nur einer unter vielen.

<i>(HNA-Kassel; 07.06.2003)</i>

Veröffentlicht: 07.06.2003

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Datum des Ausdrucks: 18.04.2024