Fast alle Löwen machen weiter

GEHALTSKÜRZUNGEN
Nur drei Spieler des Fußball-Oberligisten KSV Hessen akzeptieren die Verringerung ihrer Bezüge nicht.
Das wars. Für Zoran Zeljko, Sven Teichmann und Carsten Schönefeld ist die Oberliga-Saison beim KSV Hessen beendet. Alle drei Spieler lehnten die von Vereinseite beschlossene Kürzung ihrer Bezüge (Wegfall der Prämien bis zum 25. Punkt sowie 20-prozentige Verringerung der Grundzahlungen) ab. Jetzt gab´s mit allen Spielern am Rande des Trainingsbetriebs letzte Gespräche. Teichmann und Schönefeld waren erst gar nicht mehr erschienen.

Gestern Abend, 17 Uhr, auf dem Trainingsgelände des KSV Hessen unmittelbar hinter dem Vereinsheim: Nach und nach trudeln die Spieler, die bereits am Vortag von KSV-Chef Rose über die Einschnitte informiert worden waren, ein.

Stellungnahmen wollen sie nicht abgeben. Eigentlich hätten sie sich bis zum Vorabend entscheiden sollen. Doch wegen der Bedeutung der Maßnahme hatte ihnen der Klub weitere 24 Stunden Bedenkzeit eingeräumt. Spieler, Rose, Vorstandsmitglied Jochen Gabriel sowie Trainer Bernd Sturm verschwinden in der Kabine. Dann, nach etwa zehn Minuten, kommen die ersten Akteure umgezogen raus, laufen rüber zum Spielfeld. Gabriel folgt, erklärt, dass all die Spieler, sich sich am Training beteiligen, die Forderung des Vereins akzeptiert hätten. Zu ihnen gehören die Stammspieler Thorsten Bauer, Slawomir Chalaskiewicz, Julio Cesar, Sebastian Busch, Artur Tews, Christoph Keim und Daniel Beyer.

Gelacht wird nicht, alle wirken eher ernst. So auch Beyer (22) , der erst im Sommer vom Ligakonkurrenten KSV Baunatal zu den Löwen gewechselt war. Hat er seine Entscheidung angesichts der sportlichen Talfahrt seines neuen Klubs schon bedauert? "Nein", sagt er. Er wolle noch kein Fazit ziehen. Dafür sei es noch zu kurz. Die Entscheidung, den Vorstandsbeschluss zu akzeptieren, habe er schnell getroffen. "Ich will Fußballspielen, sehe mich als Stammspieler."

Auch Nima Latifiahvas (20) musste sich nicht groß seinen Kopf zerbrechen. Ich habe den Entschluss sofort gefasst. "Schließlich möchte ich in der Oberligamannschaft spielen." Und ähnlich äußert sich auch Christoph Keim. Während sie draußen auf dem Platz ein Spielchen beginnen, befinden sich Tobias Nebe, Matthias Rudolph und Neuzugang Jörg Odensaß immer noch mit Rose in der Kabine. Sie Gespräche ziehen sich in die Länge. Dann geht die Tür auf, Rudolph kommt.

Im Dress, stößt zu den anderen. Es folgt nach weiteren zehn Minuten Odensaß. Doch er bleibt an der Umzäunung stehen. War`s das? Der 27-Jährige Mittelfeldmann, der bis zum Sommer beim OSC Vellmar kickte: "Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen worden." Er warte noch auf ein Gespräch mit Trainer Sturm. Vize-Präsident Jochen Gabriel meint später, bei Odensaß gehe es auch um sportliche Dinge. Am Mittwoch falle die endgültige Entscheidung.

Dann folgt Tobias Nebe. Um 19 Uhr teilt er mit, dass auch er die Kürzung der Bezüge akzeptiert. "Ich spiele gerne für den KSV Hessen und möchte dazu beitragen, dass wir aus dem Schlamassel kommen." Bereits vorher war auch Torwart Zoran Zeljko am Klubhaus eingetroffen - ohne Trainingstasche. Er lehnt die Vorgaben ab. "Wir bekommen doch eh nur ein Taschengeld", sagt er. Aber ihm gehe es nicht nur ums Geld. Schwer enttäuscht ist er auch von einem Teil der Fans. In Schwalmstadt beim 1:2 vor einigen Wochen hätten sie ihn und seine Freundin bedroht und übel beschimpft.

Und auch am vergangenen Samstag beim Bernbach-Spiel habe es regelrechte Hassgesänge gegen ihn gegeben. Enttäuscht sei er, dass der Verein sich von diesen Anhängern nicht offiziell distanziert habe. Das sei alles schon sehr bitter.



KOMMENTAR
<span class='smallfett'>Zeichen gesetzt</span>

<i>Ulrich Brehme über die Lage beim KSV Hessen.</i>

Und da sage noch einer, Fußballern ginge es nur ums Geld. Drastisch gekürzt hat der Vorstand des angeschlagenen KSV Hessen seinen Löwen die Bezüge. Und wie reagieren die? Sie machen zum großen Teil weiter, akzeptieren die Einbußen. KSV-Chef Jens Rose hat die Machtprobe gewonnen. Und Zeichen gesetzt - sowohl nach innen als auch nach außen. Kern seiner Botschaft an die Mannschaft: Wenn die eigentlich zu erwartende Leistung über Monate ausbleibt, und sich dadurch die Einnahmen verringern, dann darf es im Interesse des Ganzen nicht bei Appellen bleiben. Es muss gehandelt werden, auch wenns wehtut. Beifall dürfte es auch bei Anhängern sowie Sponsoren geben, die zuletzt nicht mehr den Eindruck haben konnten, für ihre Zuwendungen in Form von Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Eintrittgeldern ehrlich bedient worden zu sein. Die Spieler haben jetzt die Chance zur Rehabilitation. Gelingts, dann könnte bald auch wieder mehr Geld winken. Schließlich sind Vorstandbeschlüsse auch wieder rückgängig zu machen.


HINTERGRUND
<span class='smallfett'>Rose: Finanziell noch keine Nöte</span>

Trotz der sportlichen Talfahrt ist die wirtschaftliche Lage des KSV Hessen keineswegs beängstigend. "Wir schreiben keine roten Zahlen", sagt Vereinschef Jens Rose. Und daran werde sich auch bis zum Saisonende nichts ändern. Kalkuliert hatten die Löwen mit einem Zuschauerschnitt von 1400. Dies - so Rose - sei nun wohl nicht mehr zu halten. Dennoch gibt er sich optimistisch. "Unsere Sponsoren springen nicht ab. Wir versuchen, die fehlenden Einnahmen aus dem Kartenverkauf mit ihrer Hilfe abzufangen." Der Etat für die laufende Saison liegt bei 610000 Euro. Die Oberliga-Mannschaft sollte zunächst mit 450000 Euro auskommen.
Die neuen Verträge sehen um 20 Prozent reduzierte Bezüge für die Oberliga-Kicker vor. Prämien gibts erst ab dem 25. Punktgewinn.


<i>Von Ulrich Brehme

HNA-Sportredaktion, 27.10.04</i>

Veröffentlicht: 27.10.2004

© KSV Hessen Kassel e.V.
Datum des Ausdrucks: 19.04.2024