"Mich muss niemand rauswerfen"

DISKUSSIONSABEND
Trainer Thomale und der KSV Hessen in der Diskussion mit den Fans.
Nein, er hat es nicht ganz leicht derzeit bei den Fans. Hans-Ulrich Thomale, Trainer des KSV Hessen Kassel, eckt schon mal an. Weil er offen seine Meinung sagt. Die Dinge auch mal beim Namen nennt. Oder seine Spieler. So war es auch gestern, als der Fußball-Oberligist nach dem missglückten Start in die Saison zu einem Meinungs-Austausch in den VIP-Raum des Auestadions geladen hatte. Thomale, der Vorsitzende Jens Rose sowie die gesamte Mannschaft stellten sich den Fragen der unzufriedenen Anhänger. Und da wurde auch schon mal heftig gemurrt, wenn der Trainer das Wort ergriff. Zum Beispiel als die Rede auf Julio Cesar kam. "Er ist ein wichtiger Spieler. Aber wir sind nicht der FC Cesar." So antwortete Thomale auf die Frage, warum der Angreifer nicht häufiger von Beginn an spielen würde. Den vielen Freunden des Brasilianers schmeckte das natürlich nicht. Thomale ließ es allerdings nicht bei markanten Sätzen. Er schilderte seine Beweggründe. Auch bei Cesar, dem er etwa mangelnde Vorbereitung durch den zwischenzeitlichen Wechsel nach Polen vorhält. Und er setzt sich intensiv mit den Vorwürfen auseinander.
"Ich habe nicht immer den Eindruck, dass die stärkste Mannschaft auch spielt", sagt etwa Reinhard Ellenberger, KSV-Fan aus Lohfelden. "Ich bin hinterher auch oft klüger. Aber ich muss Entscheidungen vorher treffen. Da kann ich nicht den Geschmack jedes Zuschauers treffen", hält Thomale ihm entgegen. "Warum so viele personelle Änderungen im Mittelfeld?" will Pascal Hertel aus Kassel wissen. "Wir müssen mehrere Varianten spielen können", antwortet Thomale.

Breiten Raum nimmt die Frage ein, ob der Trainer seine Spieler zu öffentlich kritisiert. Doch diesen Vorwurf entschärfen die Aktiven selbst. Kapitän Thorsten Schönewolf: "Bei uns wird niemand niedergemacht." Und Zoran Zeljko: "Ich denke manchmal, er redet sogar zu viel mit uns Spielern." Überhaupt findet der Torhüter: "Die ganze Diskussion um Thomale ist für mich eine Farce." Der Trainer hat zuvor zu dem Thema deutlich Stellung bezogen: "Sollte ich mitbekommen, dass ich nicht mehr helfen kann, muss mich niemand rauswerfen. Dann gehe ich von alleine. Aber bis dahin werde ich mich nicht in einem Loch verkriechen, sondern die Dinge mit offenem Visier angehen." Wie Zeljko stellt sich auch Jens Rose hinter den Trainer: "Wir sind alle enttäuscht. Aber jeder hier investiert unglaublich viel." Trotzdem: Ein gewisser Unmut ist zu spüren. Auf beiden Seiten. "Die breite Unterstützung der Region fehlt, sagt Rose." Zeljko ärgert sich über Anfeindungen im eigenen Stadion und spürt erste Entfremdung zwischen Fans und Team: "Wir driften auseinander!" Überhaupt findet der Routinier: "Zwei Niederlagen hintereinander sind für uns schon eine Serie. Wir sollten wirklich nicht so übertreiben."


<i>Von Frank Ziemke

HNA-Sportredaktion, 10.09.04</i>

Veröffentlicht: 10.09.2004

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Datum des Ausdrucks: 18.04.2024