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von sepp » 18. Nov 2005, 19:49
Hier ist mal ein Augenzeugenbericht eines Schweizers
QUOTE
eigentlich begann der trip schon am dienstagabend. um 18.45h ruft mich meine freundin ins büro an, ich sollte mich dringendst beim reiseveranstalter melden. um 19.00h war dann die ursprünglich gebuchte reise komplett storniert und eine neubuchung war angesagt. statt 10.00h ab zürich (mit hello airlines) wars jetzt 12.00h ab basel mit turkish airlines. der rückflug (geplant war um 04.30h) sollte nun um 07.50h stattfinden, womit nun auch eine hotelübernachtung für fr. 50.- / Person (wir waren zu dritt, alpenlöwe, mein bruder und meine wenigkeit) vorgeschlagen wurde. bauchentscheid pro hotel. man ist ja kutte und was einem so richtig erwartete, konnte man ja nicht wissen...
der hinflug verlief problemlos, essen & service waren ok. gespannt war man natürlich bei der ankunft (fast pünktlich um 16.00h), man hörte ja die bekannten schauermärchen... bei der passkontrolle => kein problem. auffälliger gekleidete kutten (da gehörte ich ausnahmsweise mal nicht dazu ) allerdings wurden schon ein wenig "langsamer" bearbeitet, aber alles im gemässigten bereich.
in der ankunftshalle dann tatsächlich... einige dutzend männer türkischer herkunft mit ausgedruckten A4-blättern! man sah aber relativ schnell, dass es sich nicht um texte wie "hurren son swüss lüün dünü" handelte, sondern diese dienten wie gewöhnlich den beauftragten chauffeuren und reiseveranstaltern als passagierinfo... .
also alles halb so wild!
bis dann alle durch den zoll kamen, dauerte das eine weile, danach warteten wir kurz auf den bus, der uns vorerst mal ins 3-stern-hotel in der hübschen altstadt brachte. die leute am flughafen, im bus, im hotel & den gegenüberliegenden kneipen ausserordentlich gastfreundlich, es gab kein grund zu klagen.
im hotel checkte man kurz ein und erhielt die ersten anrufe um ca. 18.00h aus dem stadion. individualreisende hopper informierten uns, dass ihnen bei der eingangskontrolle u.a. die zaunfahne, handys, sämtliche fahnen und vereinzelt sogar nati-t-shirts abgenommen wurden. dass sie den gewaltbereiten, türkischen fans knapp entkamen & sich in den gästeblock retteten, sei nur am rande erwähnt.
irgendwie schien auch unser tourguide davon wind bekommen zu haben, nach seiner info an die ganze truppe (46 fans, kuttenquote bei ca. 95%)
herrschte grosse verunsicherung. was mitnehmen, etc... das meiste wurde dann im hotelzimmer zurückgelassen. um ca. 18.20h (?) fuhr man dann los und wir durften noch zwei, drei mal per telefon & sms von weiteren - bereits im stadion angekommenen - luzernern erfahren, dass die schweizer fanbusse zur fahrt zum stadion schon ab und zu mit frischem gemüse, vogelgrippe-erzeugnissen & teils auch steine eingedeckt wurden. handys wurden anscheinend mittlerweile erlaubt und auch sonst schien die toleranzgrenze nun ein wenig höher zu sein.
zum ärger vieler mitreisender standen wir dann über 2 stunden im stau und kamen erst ca. 10 minuten vor spielbeginn vor der gästekurve an. (keine polizeieskorte). rund ums stadion standen natürlich nicht mehr so viele leute, ein paar stinkefinger zur begrüssung war gerade mal das schlimmste. problemlos in den gästeblock gekommen, (kontrolle beschränkte sich schlussendlich auf gewöhnlichem 2.liga-Level) suchte man sich einen günstigen standort. schnell sichtete man die üblichen verdächtigen, wo man sich natürlich sofort hinzugesellte. Die schweizer Nationalhymne konnte man wirklich unmöglich hören, das gepfeife war einfach zu laut.
Zum spiel möchte ich nix schreiben, da ist ja alles gesagt und das haben ja auch die tv-zuseher erlebt.
Nach dem raschen - vermeintlich vorentscheidenden - von frei verwandelten penalty durften wir eine von türkischen fans gesponserte bengalische fackel in unserem block ausbrennen lassen.
Die stimmung wurde zusätzlich vom stadionspeaker angeheizt. jedes mal, wenn ein schweizer im Ballbesitz war, wurden die türkischen fans über die stadionlautsprecher dazu aufgefordert(!), laut zu pfeifen. Unfassbar! Natürlich wurden diese anweisungen auch enthusiastisch befolgt, was wiederum eine noch beeindruckendere ambiance schaffte. Aber halt auch unnötig noch mehr Aggressionen schürte.
Immer wieder wurden uns diverse präsente zugestellt. Feuerzeuge, mit wasser gefüllte gläser (!), wasserflaschen aus PET, und und und...
Nach dem abpfiff standen dann hunderte um unseren gästeblock und schmissen alle möglichen Projektile zu uns. Man musste nach rechts, unten und links zeitgleich schauen, damit eine sinnvolle antizipierung möglich war. Die negativen höhepunkte waren definitiv die ebenfalls schon erwähnten farbkübel & dieses ablaufrohr im umfang einer torlatte. Dieses rohr bescherte dem alpenlöwen leider eine prellung am kleinen finger, immerhin, ich darfs vorwegnehmen, die einzige verletzung der “löwen-Crew”, also insgesamt erträglich.
Im blockinneren war dann so eine pufferzone, wo sich die meisten drin aufhielten, bis die türken im Stadion verschwunden waren. Irgendwann war da noch was mit Tränengas, allerdings nichts schwerwiegendes, wie man nach lesen der erneut sensationsgeilen blick-ausgabe meinen könnte.
Nach einer ewigkeit wars im block dann wieder ungefährlich, die türken waren weg und so wartete man nochmals eine weile, bis zur überraschung aller plötzlich “köbi national” für ein tv-interview über den rasen lief. Ein Highlight, dass an diesem abend seinesgleichen suchte, hatte man doch seit dem Schlusspfiff -aus bekannten gründen - mit niemandem von der Mannschaft feiern dürfen... Die stimmung der schweizer fans hob sich - zur sichtlichen freude von köbi - noch ein letztes mal, danach gings langsam richtung busse. Die Polizei hatte ganze arbeit geleistet und das gebiet weiträumig abgesperrt, so dass wir ca. 90 minuten nach dem Schlusspfiff mit unserem car das stadionareal verlassen konnten. Noch Kilo(!)Meterlang waren die autobahnen mit Polizisten abgesperrt, damit die fanbusse nicht beschmissen werden konnten. Und es funktionierte schlussendlich auch.
Unser bus fuhr zurück ins hotel, wo man sich im gegenüberliegenden Restaurant noch feste nahrung gönnte und danach gings zum karten spielen in die Hotelbar. Eine wirklich grossartige feierstimmung fiel den erwähnten vorkommnissen zu opfer, trotz allem freute man sich sichtlich über die Qualifikation, es lief dann halt einfach ein wenig gemässigter ab. Im Restaurant/hotel/näherer umgebung dann eigentlich das gewohnte bild, enttäuschte, aber friedliche einheimische. Und gastfreundlich.
Um 04.45h gings von der hotel-bar direkt in unser teuerstes Schließfach aller zeiten (fr. 50.- für ein zimmer, praktisch ohne jegwelchen nutzen...), die persönlichen Gegenstände abgeholt, ein kurzes frühstück eingenommen und ab an den Flughafen, wo wir um 07.50h wieder zurück in richtung wm06-teilnehmer-land abflogen. Am Flughafen übrigens wiederum keine probleme, es war fast so, als hätte nie ein spiel stattgefunden. Wenn, dann war die reaktion der türken höchstens ein zuwinken.
Alles in allem natürlich ein unvergesslicher Trip. Ebenso wichtig finde ich es aber auch, ein wenig zu differenzieren... Die unrühmliche ausnahme bilden meiner ansicht nach nur die türken, die wir in direkter verbindung zum gestrigen spiel gesehen haben, da ticken diese leute einfach aus. Und da war nicht zu erkennen, wo die grenze zu ziehen ist... Einfach krass!
Die türken, die am Samstag dem hinspiel beiwohnten (mehrheitlich wohl wohnhaft in CH & D), waren andererseits im grossen & ganzen ähnlich friedlich & sympathisch wie die leute, die wir in Istanbul außerhalb des Stadionareals kennenlernen durften. Da gibt’s überhaupt nichts zu meckern. Und offensichtlich schämen diese sich auch für ihre “anderen” landsleute, das dürft ihr mir gerne glauben. Diese erfahrung haben übrigens auch andere reiseteilnehmer gemacht, die mehrere tage vor ort waren.
ENTSCHEIDEND IST ABER: WIR SIND DABEI! BERLIN, BERLIN, WIR FAHREN NACH BERLIN!
Es grüsst,
"Swiss Lion" Dani
Ps. Die gross-/kleinschreibung ist in diesem scheiss-works-Textverarbeitungsprogramm eine Katastrophe, hoffe, man kanns trotzdem lesen. Habe echt keine lust, das auch noch zu überarbeiten. Danke fürs Verständnis.
Liebe kennt keine Liga !