Das macht die Regionalliga so sympathisch

19828383848485 - Die KSV-Kolumne

Was mir an der Regionalliga so gut gefällt? Die Spieler sind auf dem Boden geblieben, sind noch viel näher an uns Fans, also den OttoNormalMenschen. Sie kommen nicht mit fetten Sportkarren zum Training, bei deren Anblick man sich unwillkürlich denkt: Aha! Das ist also aus meinem Eintrittsgeld geworden. Ein Ferrari für Spieler XY und ein Lamborghini für Spieler YZ. Als nächstes denke ich dann immer: Vielleicht sollte ich besser nicht mehr ins Stadion gehen, wenn ich dadurch einem 22-Jährigen Fußballer, der noch nichts richtig Großes geleistet hat, ein Luxusleben finanziere. Ich sage es mal so: Wenn ein Cristiano Ronaldo, der wirklich jede Mannschaft, in der er spielt, deutlich besser macht, an sieben Tagen in der Woche jeweils mit einem anderen 500.000 Euro teuren Auto zum Training kommt, dann denke ich mir noch, dass der sich das irgendwie schon verdient hat. Der ist seit über 15 Jahren ein absoluter Musterprofi. Aber wenn ich lese, dass sich schon Nachwuchsspieler Autos kaufen, deren Wert mein Jahresgehalt weit übersteigt, dann weiß ich: Es läuft was schief in der 1. Bundesliga.

Selbstverständlich sieht man auch am Urlaub, wer gerne protzt und prahlt und wer schön auf dem Boden geblieben ist. Unsere KSV-Aufstiegshelden zum Beispiel, scheinen absolut geerdet zu sein. Schaut man sich auf ihren Profilen in den sozialen Netzwerken um, findet sich keiner, der mit peinlichen Poser-Fotos aus seinem Traumurlaub, den Neid der Fans heraufbeschwört. Ganz im Gegenteil, es hat sogar den Anschein, dass die Meisten den schönsten Ort der Welt, also unser Nordhessen, gar nicht erst verlassen haben. Einzig Alban Meha grüßt seine knapp 75.000 Follower ganz bescheiden, einen Pott Kaffee vor sich auf dem Tisch, aus dem „The House Cafe“ in Istanbul. E trägt ein weißes T-Shirt, blaue Jeans, Sonnenbrille. #iloveistanbul, #coffee, #holidaytime, schreibt er unter das Foto. Vorher war unsere Nummer 17 seinem Facebook-Profil zufolge in Esslingen, im Eiscafe La Torre. Sein Kommentar zum Foto: „Mit Familie die Zeit genießen.“  Das ist Regionalliga! Wunderbar Bodenständig und als Fan denkt man sich: Dafür zahle ich gerne mein Eintrittsgeld. 

Bei etlichen Bundesligakickern sieht das auch im Corona-Sommer 2020 ganz anders aus. Da wird weiterhin geklotzt statt gekleckert. Auch wenn Fernreisen in die USA, nach Brasilien, Australien und Co. natürlich ausfallen, kann man es sich ja andernorts richtig gutgehen lassen. Gut, die Wenigsten fallen dabei so negativ auf, wie Bayern Keeper Manuel Neuer. Der hat im Kroatien-Urlaub, genauer gesagt in einer Strandbar in Dubrovnik, dass Lied einer Band mitgesungen, die  als rechtsextrem gilt. Man muss zu Manuels Ehrenrettung aber sagen, dass er von der braunen Vorgeschichte der Band vermutlich nichts wusste.

Viele andere Bundesliga-Kicker fallen eher durch Protz-Reisen und Protz-Fotos in den sozialen Netzwerken negativ auf. Ganz wichtig für die Meisten: Sonnenschein, Strand und Markenklamotten am gestählten Körper. Als Urlaubsziel steht dabei Mykonos hoch im Kurs: Dort Urlauben zum Beispiel der Dortmunder Emre Can, der Berliner Jordan Torunarigha und Kevin Trapp, Torhüter der Frankfurter Eintracht. Der lässt sich auf der griechischen Insel zusammen mit seiner Verlobten, dem brasilianischen Model Izabel Goulart, im Hotel Casa del Mar verwöhnen. Ein normales Zimmer kostet hier ab 400 Euro – nein, nicht pro Woche! Pro Nacht natürlich. Die „Villas“ sind selbstverständlich deutlich teurer.  

Der Schalker Ahmet Kutucu erholt sich auf Ibiza in direkter Nachbarschaft zu Dortmunds Marco Reus. Der kann zwar wegen einer Muskelverletzung seit Februar nicht mehr spielen, dass hält den 31-Jährigen aber nicht davon ab, den Urlaub im Luxushotel in Santa Eulalia del Rio mit seiner Frau Scarlett richtig zu genießen. Und die postet auf Instagram eine Urlaubs-Foto-Love-Story zum neidisch werden. Man sieht sie beim Tauchen und bei abendlichen Spaziergängen im Sonnenuntergang. Neben den Fotos stehen dann oft die wirklich großen Fragen der Weltgeschichte: „Beach or Pool?“ zum Beispiel.  Hach, wie gerne würden seine Fans da jetzt auch hinreisen - aber Mist, bei vielen von uns OttoNormalMenschen ist ja das Geld gerade etwas knapper. Kurzarbeit und so. Auch einige der Bayern-Profis setzen auf Spanien als Urlaubsziel: Thiago Alcantara genießt seinen Urlaub an der Costa Brava, während Javi Martinez in Cadiz am Strand liegt. Bei den beiden läuft das aber eher unter Heimaturlaub.

Apropos Bayern: Einen habe ich entdeckt, der ganz bodenständig dahoam geblieben ist. Prima, dachte ich mir. Der Thomas Müller, frischgebackener double Gewinner, außerdem Weltmeister und Champions League Sieger und trotzdem hat er noch ein Gefühl für das, was gerade angebracht ist. Seine Fotos auf Instagram verraten dann, dass er am Chiemsee ist, um Golf zu spielen und auf dem Gestüt seiner Frau, wo die beiden Pferde züchten. Na gut, das gibt vielleicht einen kleinen Abzug in der B-Note, also B für Bodenständigkeit. Aber insgesamt alles im grünen Bereich.

Deutlich Bodenständiger präsentiert sich BVB-Star Erling Haaland. Der macht Urlaub mit Papa, in der Hütte seiner Familie in den norwegischen Bergen. "Es ist wunderbar mit den Vögeln zu reden, ganz allein zu sein", sinniert er dazu auf Facebook. Und von dem, was er dort so treibt, wenn er gerade nicht mit Vögeln spricht, postet er äußerst unterhaltsame Fotos. Eins zeigt ihn beim Holzfällen mit seinem Vater Alf-Inge. Erling steht in einem Fluss, vor sich ein Baumstamm. In der Hand hält er eine Kettensäge. Seine Arbeitsbekleidung: Blaue Latzhose und gelbe Schutzbrille. Die Haare hat er zum Zöpfchen gebunden, im Hintergrund sieht man Papa Haaland arbeiten. Erling hat das Foto mit den Worten „Der Winter naht. Lasst uns ein bisschen Holz hacken“, kommentiert Beim Anblick dieses Fotos konnten sich auch seine Mannschaftskameraden nicht mehr zurückhalten. Jadon Sancho etwa reagierte mit elf (!) sich vor Lachen kugelnden Smileys. Julian Brandt schrieb: "Bro, deine Haare …!" und sein Vater beschwerte sich auf Twitter mit einem Augenzwinkern: "Ich mache die Arbeit und er erntet die Lorbeeren". Ein zweites Urlaubsfoto zeigt ihn mit freiem Oberkörper auf einem Traktor sitzend. Alles also - bewusst oder unbewusst? -  sehr heimatverbunden und geerdet. Eben ganz wie bei unseren Aufstiegshelden vom KSV! Und überhaupt: Erst Holzhacken und anschließend das Feld bestellen, dass könnte Erling doch auch wunderbar in Nordhessen machen. Hier gibt es sehr viel Wald und unglaublich viele Äcker zu bestellen. Herr Haaland: Sie sind jederzeit herzlich willkommen, um zukünftig für den KSV Ihre Buden zu machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir es hinbekommen, Ihnen einen rot-weißen Traktor mit dem Löwen auf der Motorhaube zu besorgen.  

Ich habe in diesem Jahr übrigens in Dänemark Urlaub gemacht und bei guten Freunden ein wunderbares Zitat von Astrid Lindgren am Wohnmobil gelesen: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“ Ich finde, wenn man diesen Spruch beherzigt, dann wird jeder Urlaub super. Ganz egal, wohin er geht.

Liebe Fans, ganz egal, wo ihr gerade seid, ob am Strand von Mykonos, den Bergen Norwegens, auf Ibiza oder in der Buga, schließt jetzt alle mal die Augen und stellt euch vor, ihr seid im Auestadion. Das Wellenrauschen wird langsam von immer lauter werdenden Fangesängen übertönt.  Und nun singen wir zur Melodie von „Urlaub ist nur einmal im Jahr“ alle gemeinsam so laut, dass man es bis nach Kassel hören kann: „Wir sind heiß drauf! Endlich wieder Regionalligaaaaaaaaa! Ole, ole und schalala!“

Veröffentlicht: 22.08.2020

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Datum des Ausdrucks: 19.04.2024