Zum Liveticker

Der KSV Hessen Kassel bedankt sich fĂŒr das Interesse und wĂŒnscht noch ein schönes Wochenende.

19828383848485 - Die KSV-Kolumne

„KSV Hessen Kassel – Die Legende lebt!“, gerade eben ist ein Auto mit diesem Aufkleber auf der Heckscheibe vor mir hergefahren.

Klar, unser KSV ist ganz sicher eine Legende, wenn auch eine etwas chaotische. Und das ganz sicher weit über Nordhessen hinaus. Wer weiß, wo überall auf der Welt sich noch 80er Jahre Löwen-Trikots in den Schränken finden. Aber was macht den KSV eigentlich zur Legende? Ich glaube, es könnte die Tatsache sein, dass er damals so schrecklich tragisch NICHT aufgestiegen ist! Schließlich braucht jeder ein Ziel, einen Sehnsuchtsort, an den er sich träumt, den er unbedingt erreichen will. Und oft machen der immer verzweifelter werdende Versuch und das immer tragischer werdende Scheitern, den Betroffenen zur Legende.

Sorry, ich weiß, dass klingt ketzerisch, aber spielen wir es doch mal durch: Was wäre aus unseren Hessen geworden, wenn sie damals in Nürnberg oder gegen Hannover gewonnen hätten? Ein Jahr erste Liga, kleiner Etat, das Auestadion wäre bekanntermaßen nicht ausgebaut worden, vermutlich wäre es gleich wieder runter gegangen. Vielleicht hoch verschuldet, weil es sich im Nachhinein als Schappseide herausgestellt hat, Karl-Heinz Rummenigge, Pierre Littbarski und Klaus Allofs für viel Geld an die Fulda zu locken. Sehnsuchtsziel erreicht, Traum geplatzt. Und jetzt?

Glaubt ihr, dass es in Berlin jemanden gibt, der klar bei Verstand ist und mit seinem Geld trotzdem Autoaufkleber drucken lassen würde, auf denen „Tasmania Berlin – Die Legende lebt!“, steht? Gäbe es ihn, wäre man spontan versucht, bei ihm Fieber messen zu wollen und ihn zu fragen: „Wohl im Lotto gewonnen?“. Oder würde irgendwer, der noch keine 8 Promille im Blut hat, den FC 08 Homburg als Legende bezeichnen? Vermutlich eher nicht – dabei haben diese beiden Vereine zusammen dem KSV vier Jahre Bundesliga voraus.

Stellt euch mal vor, Lionel Messi würde plötzlich doch noch Weltmeister mit Argentinien. Würde das nicht den ganzen Mythos dieses Jahrhundertspielers zerstören? Seine Tragik vom unvollendeten Superstar, der immer wieder so kurz vor dem Ziel weinend auf dem Rasen zusammensackt und zusehen muss, wie andere den goldenen Pokal in den Nachthimmel recken? Wie 2014 die Deutsche Nationalmannschaft Der kleine Lionel, der tragische Held, der zunehmend verzweifelt seinen Mythos mit einem großen Titel in der Nationalmannschaft vollenden will und stets scheitert. Das ist die Geschichte, die den Weltstar nicht nur in seiner fußballerischen Heimat Spanien, sondern auch in seinem Geburtsland, in dem er die Fans wieder und wieder enttäuscht, zur Legende macht.

Oder stellt euch mal vor, der FC Schalke 04 hätte 2001 tatsächlich die Meisterschaft gewonnen. 84. Minute im Volksparkstadion, Mathias Schober hält den Freistoß von Patrik Andersson. Schalke ist Meister. Was wäre dann gewesen? Ich behaupte: Mit dem Schicksal, der ewige „Meister der Herzen“ zu sein, konnte Schalke besser leben. Die Legende vom verzweifelt und gegen alle Widrigkeiten kämpfenden Underdog aus dem Ruhrpott, lässt sich super vermarkten und prägt das Image der Knappen bis heute. Wie sich das Image wandeln kann, wenn man Meister wird und sich plötzlich das bislang immer gut gepflegte Image verändert, hat man in Dortmund gesehen. Seit die Borussia es Mitte der 2000er Jahre eine Zeit lang geschafft hatte, den Bayern den Rang als Klassenprimus abzulaufen, ist die Erwartungshaltung eine völlig andere. Die Dortmunder sind nicht mehr der David, der gegen den übermächtigen Goliath kämpft, sie sind selbst zum Goliath geworden. Sie investieren Jahr für Jahr etliche Millionen. Fans und Verein erwarten dafür nicht weniger als die Meisterschaft. Über den zweiten Platz kann sich keiner mehr so richtig freuen. Vizemeister? Gähn – nicht schon wieder, das waren sie in Dortmund seit 2010 doch schon sagenhafte fünf Mal.

Wenn der KSV damals ins Paradies gekommen wäre, es also in die 1. Liga geschafft hätte, hätte er vermutlich ziemlich schnell in den leckeren roten Apfel gebissen, den ihm die Evas der Liga hingehalten hätten und wäre wieder rausgeflogen. Immerhin hat uns das damalige Scheitern, das ständige öffentliche Verpassen unseres Sehnsuchtsortes, zur Legende gemacht. Zum führenden der ewigen Zweitliga-Tabelle im Kicker. Ich glaube, dass die drei Jahre in den 80ern, in denen wir uns nach der Saison die Haare gerauft und aus Frust ins damals noch in jedem Haushalt existente Telefonbuch gebissen haben, aus heutiger Sicht gar nicht so schlecht waren. Denn sie haben unser Image geprägt. Und wir können uns voller Stolz den Spruch: „KSV Hessen Kassel – Die Legende lebt!“ auf die Heckscheibe unseres Autos kleben.

Liebe Fans, ganz egal, wo ihr gerade seid, schließt jetzt alle mal die Augen und stellt euch vor, wie wir in der Saison 1998/99 in der Kreisliga A ungeschlagen Meister geworden sind und uns beim 19:1 gegen den TSV Wolfsanger II jubelnd in den Armen lagen. DAS ist Liebe zum Fußball – die Spielklasse ist dabei völlig egal. Und jetzt schreien wir alle gemeinsam so laut, dass man es in ganz Kassel hören kann: „Wer wird Deutscher Meister? Nur der KSV!“

Einen Sehnsuchtsort muss man schließlich haben!

Veröffentlicht: 02.08.2020

© KSV Hessen Kassel e.V.
Datum des Ausdrucks: 25.04.2024