Das Jahr, das zu lange war

HNA-Zusammenfassung von der 0:2-Niederlage gegen Elversberg
KSV Hessen Kassel unterliegt Elversberg und muss nun zittern.

Als die Frau vom Service unmittelbar vor der Pressekonferenz die beiden Trainer fragte, welches Getränk sie ihnen denn bringen sollte, antwortete Matthias Hamann, der Coach des KSV Hessen Kassel: „Einen doppelten Wodka, bitte.“ Das sagt eigentlich schon alles. Über das Spiel der Löwen. Über die Stimmung.

Das so erfolgreiche Jahr 2006 endete für den Aufsteiger in die Fußball-Regionalliga mit der Erkenntnis, dass es einen Monat zu lange gedauert hat. Dem unglücklichen 1:3 in Hoffenheim Anfang Dezember folgte im letzten Spiel des Jahres am Samstag im Auestadion ein 0:2 gegen die SV Elversberg, die den KSV damit in der Tabelle überholte. Die Kasseler gehen als 14. in die Winterpause. Danach kommen nur noch Abstiegsplätze.

0:2 gegen Elversberg – wieder eine Begegnung verloren, die Experten gerne als Sechs-Punkte-Spiel bezeichnen, weil es gegen einen direkten Konkurrenten geht. Wie beim 1:2 in Darmstadt und beim 0:1 zuhause gegen Pfullendorf verstand es der KSV auch diesmal nicht, so aufzutreten, wie er das mit Vorliebe gegen die Großen der Liga tut: mit Selbstbewusstsein und bedingungslosem Engagement.

Stattdessen herrschte Unsicherheit, und der letzte Biss fehlte. KSV-Mittelfeldspieler Mirko Dickhaut sprach nachher von Elversberg als dem abgezockteren Team, weil die Saarländer anders als die eigenen Kollegen einfach gewohnt seien, in der Regionalliga gegen den Abstieg zu kämpfen. Das trifft es sehr gut. Denn die Löwen wurden nervös, als sie merkten, dass eine erste Druckphase keinen Erfolg brachte. Schon Mitte der ersten Halbzeit erarbeiteten sich die Gäste eine gefühlte Überlegenheit. Das 0:1 war folgerichtig: Stefan Zinnow setzt sich auf rechts durch, gibt nach innen, dort steht Abdul Iyodo, der den Ball ins Tor stochert.

Weil die Partie auch nach der Halbzeit für den KSV eher ein Trauerspiel als ein Feuerwerk zum Jahresabschluss war, sollten zwei Szenen aus den letzten KSV-Minuten 2006 reichen: Dubravko Kolingers 0:2 in der 65. Minute nach einem blitzsauberen Angriff der Elversberger. Und: ein Schuss des eingewechselten KSV-Stürmers Murat Turhan an die Latte. Eine Chance aus heiterem Himmel - nach 78 Minuten.

Zwölf Minuten später war Winterpause. Turgay Gölbasi machte keinen Hehl daraus, dass es besser gewesen wäre, sie hätte zwei Wochen vorher begonnen. „Das 0:2 trübt die Vorfreude auf die Rückrunde“, sagte der Verteidiger, der alle 20 Partien durchspielte. „Wir müssen hart arbeiten.“

Am 2. Januar steigt das Team wieder ins Training ein – womöglich mit Verstärkungen. In der Abwehr und im Mittelfeld besteht nach Ansicht des Trainers noch Bedarf an schnellen Leuten. „Im Moment spielen wir mit einer besseren Oberliga-Mannschaft“, sagte Hamann nach der Pressekonferenz im nüchternen Zustand. Er hatte sich dann doch für eine Apfelsaftschorle entschieden.

 

 

Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion
Montag, 11. Dezember 2006

 

Was macht Hamann?

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zoomMatthias Hamann: Bleibt er oder geht er?
Foto: Roland Sippel

Verwirrung um Matthias Hamann. Der KSV-Trainer hatte sich am Samstag im Fernsehen missverständlich ausgedrückt, als es um seine Zukunft ging. Viele verstanden seine Aussage so, dass er womöglich schon in der Winterpause zu einem anderen Verein wechseln würde.

Gegenüber unserer Zeitung sagte Hamann gestern zu möglichen Angeboten anderer Vereine: „Es gibt nichts Konkretes. Mein Arbeitgeber ist der KSV, und er wird es bleiben.“ Aber er sagte auch, dass prinzipiell nichts auszuschließen sei.

Hamanns Vertrag läuft nach seiner Ansicht bis 2008. Allerdings gäbe es da unterschiedliche Auffassungen. KSV-Präsident Jens Rose war gestern nicht zu erreichen.


Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion
Montag, 11. Dezember 2006

 

 

Einzelkritik
Ein guter Arnold reicht nicht

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zoomMarc Arnold war bester KSVer
Foto: Roland Sippel

Oliver Adler: Bewahrte sein Team in der 50. Minute mit zwei tollen Reflexen vor dem frühzeitigen 0:2.

Turgay Gölbasi: Nicht mehr so verunsichert wie gegen Hoffenheim. Allerdings kraftlos nach vorne.

Mario Klinger: Sorgte von den Mitgliedern der Abwehr-Viererkette noch für den meisten Schwung nach vorne. Hinten zum Teil unsicher.

Thorsten Schönewolf: War vor dem 0:1 nicht energisch genug, ansonsten eine solide Partie.

Christoph Keim: In Hoffenheim noch bester Kasseler, jetzt zumindest in der zweiten Halbzeit völlig von der Rolle. Unerklärbare Abspielfehler.

Daniel Beyer: Begann kämpferisch stark, ließ dann allerdings stark nach. Die finalen Pässe kamen nicht zum Mitspieler.

Mirko Dickhaut: Gab vor der Viererkette einen guten Sechser, der zweikampfstark war und die Bälle verteilte.

Kim Schwager: Glücklos auf der linken Seite, über die eh kaum ein Angriff lief. Und seine sonst so gefährlichen Flanken kamen an diesem Tag auch nicht.

Marc Arnold: Er war nicht überragend, aber gut. Das Problem: Er kann nicht alles allein machen. Deshalb reicht ein guter Marc Arnold nicht aus für einen Punktgewinn des KSV.

Thorsten Bauer: Es war sein Jahr – das entscheidende Tor für den Aufstieg geschossen, für das Tor der Woche nominiert, sich in der Regionalliga etabliert. Aber das letzte Spiel in diesem Jahr sollte er einfach streichen aus seinem Gedächtnis. Wir tun es auch.

Cesar: Er kämpfte zumindest am Anfang, doch dann tauchte er immer mehr ab. Keine ideale Ergänzung zu Thorsten Bauer.

Saky Noutsos: Sorgte nach seiner Einwechselung für ein bisschen Belebung.

Murat Turhan: Der Einwechselspieler kam immerhin zur besten KSV-Chance - zu mehr aber nicht.

 

Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion
Montag, 11. Dezember 2006

 

Echte Fans

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zoomAuch nach der Niederlage bedankten sich die Fans bei den Löwen für das tolle Jahr 2006
Foto: Roland Sippel

Laut Routenplaner ist Elversberg 355 Kilometer und 250 Meter von Kassel entfernt. Für echte Fußball-Fans aber ist kein Weg zu weit. Und wenn es nicht viele davon gibt, lässt sich die Zahl sehr schnell ermitteln – wie im Fall Elversberg: Denn die Spielvereinigung hat genau zehn echte Fans, die im Aue- stadion die Gästetribüne – nun ja: bevölkerten ist wohl das falsche Wort. Sie trafen auf ein äußerst gastfreundliches Kassel, denn auf jeden Fan in der Gäste-Kurve kam exakt ein Betreuer, auch Polizist genannt. Eine Manndeckung der besonderen Art.

Die Kasseler können darüber nur schmunzeln. 3600 waren am Samstag wieder im Stadion. Der KSV geht als Tabellenerster in die Winterpause – was den Zuschauerschnitt mit fast 5000 angeht. Die Spieler bedankten sich so auch vor der Partie mit einem Banner bei den Fans: „Danke für ein super Jahr 2006.“ Nach dem Spiel gingen sie trotz der Niederlage auch noch einmal zu den Anhängern, klatschten sie ab. Das machten auch die Elversberger. Doch die waren schneller fertig.

 

 

Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion
Montag, 11. Dezember 2006

 

Kommentar
Die Ruhe bewahren

Es war, so wie es das Dankesplakat der Spieler besagte, in der Tat ein tolles Jahr mit dem KSV. Die Löwen haben sich mit dem Regionalliga-Aufstieg, einigen starken Spielen und der tollen Stimmung im Auestadion zurückgemeldet auf der Fußball-Bühne.

Wie schwer es jedoch ist, auf dieser Bühne zu bestehen, hat der Jahresabschluss gezeigt. Nach der Niederlage gegen Elversberg ist klar: Die Löwen werden bis zuletzt um den Klassenerhalt kämpfen müssen. Bange machen gilt jedoch nicht. Für Klub wie Fans heißt es: Ruhe bewahren! Und wichtige Weichen stellen. Die Mannschaft muss in der Winterpause gezielt verstärkt, Trainer Hamann langfristig gebunden werden. Damit das Fazit auch Ende 2007 lautet: Es war ein tolles Jahr mit dem KSV.

 

Frank Ziemke
HNA-Sportredaktion
11. Dezember 2006

 

 

 

Veröffentlicht: 11.12.2006

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Datum des Ausdrucks: 20.04.2024