Das Herz trÀgt die Löwen zum 3:3

HNA-ZUSAMMENFASSUNG VON 3:3-UNENTSCHIEDEN GEGEN WEHEN
Der KSV Hessen zeigt auch gegen Spitzenreiter Wehen eine engagierte Leistung und wird am Ende belohnt.

Es war so ein typisches Spiel zwischen einem Aufsteiger mit viel Euphorie und einem Spitzenreiter mit viel Abgebrühtheit. Wie das so ist in solchen Partien: Am Ende sollte der Favorit gewinnen, die Effektivität und Coolness über die Kunst und Spielfreude. Die Treffer passten dazu: Der Aufsteiger schoss zwei Tore, über die alle danach sprechen sollten, der Spitzenreiter erzielte Allerweltstore nach Abwehrfehlern des Gegners. Schnörkellos, eiskalt - Tore irgendwie ohne Emotionen. Aber davon machte er drei. Und so sollte es 2:3 enden - dieses Spiel in der Fußball-Regionalliga zwischen dem KSV Hessen Kassel und dem Tabellenführer SV Wehen.

Vergessen Sie es!

Denn dann kam Julio Cesar da Rosa, den alle nur Julio rufen. Die 90. Minute an diesem Samstagnachmittag im Kasseler Auestadion: Der KSV bäumt sich noch einmal auf. In den 25 Minuten zuvor hatte er schon erkennen lassen, dass die Kraft immer mehr nachlässt - und doch: Jetzt versucht er es noch einmal, ein letztes Mal. Pascal Groß schießt einen Freistoß in den Strafraum. Es ist ein großes Gewühl, ein großes Wirrwarr. Irgendwann landet der Ball bei Cesar, der stochert mit dem Bein umher - „irgendwie“, wie er später sagt. „Und dann war er drin.“ Tor. Toor. Tooor. 3:3. Danach ist nur noch Jubel, Jubel, Jubel: Als ob sich eine Gänsehaut über das Auestadion gezogen hätte.

Cesar hat sie alle belohnt mit dem 3:3, denn es wäre einfach nicht gerecht gewesen, wenn die Löwen an diesem Tag als Verlierer den Platz verlassen hätten. Dafür lieferten sie über weite Strecken einen zu engagierten Fußball. „Heute haben wir mit dem ganzen Herzen gespielt“, sagte der Last-Minute-Torschütze. Und kein anderer Satz hätte die Spielweise der Kasseler besser ausdrücken können als dieser.

Mit dem Herzen dabei - dazu passen die beiden Tore durch Thorsten Bauer: Dem 1:0 in der 15. Minute ging ein Traumpass Marc Arnolds voraus, der nach seiner Verletzung erstmals wieder mitwirkte. Mit viel Auge spielte er Thorsten Bauer in der Spitze an, der bugsierte den Ball an Wehens Torwart Adnan Masic vorbei an den Innenpfosten. Später sagte er: „Ich war mir sicher, dass er reingehen würde.“ Kurz nach der Halbzeit sollte Bauer erst recht für Gesprächsstoff sorgen: mit seinem Flugkopfball zum 2:1.

Aber wenn überwiegend das Herz das eigene Spiel bestimmt, sind tragische Momente nicht ausgeschlossen - beim KSV waren es an diesem Tag drei: Torwart Oliver Adler leitete mit einem verunglückten Abwurf auf Christoph Keim das 1:1 nach einer knappen halben Stunde durch Martin Willmann ein. Dem 2:2 in der 70. Minute durch Cenci ging ein unnötiger Ballverlust im Mittelfeld voraus. Und vor dem 2:3 durch Ronny Königs trockenen, noch abgefälschten Freistoß in der 75. Minute foulte Thorsten Schönewolf den Wehener Cenci.

Dem KSV blieb noch eine Viertelstunde gegen den Spitzenreiter, der zuletzt viermal in Folge gewann. Es lief nicht mehr viel. Der Schwung der ersten Stunde war dahin. Doch das Herz des KSV funktionierte noch.

 

Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion

Montag, 13. November 2006

 

 

TRAUMTOR
Bauers Treffer für die ARD

Wie der KSV-Torjäger das 2:1 erzielte - die Rekonstruktion eines spektakulären Tores.

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zoomBauers Kunststück in drei Bildern:
Der KSV-Stürmer fliegt dem Ball entgegen (oben), trifft ihn (Mitte), dann landen beide: Bauer auf dem Rasen, der Ball im Tor.
Fotos: Koch

Er war der gefragteste Mann nach dem Spiel. So ungewöhnlich ist das nicht, denn Thorsten Bauer hat schon öfter Tore geschossen, über deren Zustandekommen anschließend erhöhter Gesprächsbedarf bestand. Erinnert sei nur an dieses fabelhafte 1:0 in Frankfurt einst im Mai, das den Aufstieg des KSV Hessen Kassel in die Fußball-Regionalliga bedeutete.

Am Samstag war es Bauers neuntes Saisontor, das für Aufsehen sorgte. Die 48. Minute und die Rekonstruktion des 2:1 gegen Wehen: KSV-Spielmacher Marc Arnold - er befindet sich kurz hinter der Mittellinie - flankt den Ball kraftvoll von der linken Seite aus in den Strafraum. Thorsten Bauer steht im rechten, hinteren Eck des Strafraumes. Von dort aus sind es 14, 15 Meter bis zum Tor. Der Ball ist in der Luft, er wird einen weiten Weg nehmen, so viel steht fest.



Thorsten Bauer hat im Training zuletzt sehr häufig Flugkopfbälle geübt. Er hat eine gewisse Sicherheit darin, den Ball aus schwierigen Lagen aufs Tor zu köpfen.

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zoomFoto: Koch
Den Instinkt für solche Situationen besitzt er sowieso. Für ihn wird schnell klar, dass dieser Ball einer für ihn sein wird.

Der Ball fliegt immer näher in Richtung Strafraum.

Thorsten Bauer befreit sich von seinem Gegenspieler Caruso, kein Schlechter an sich. Thorsten Bauer fixiert den Ball, der Stürmer hebt ab, er liegt jetzt fast schräg in der Luft, fliegt dem Ball entgegen, Thorsten Bauer trifft den Ball - und nicht nur das: „Ich treffe ihn gut.“

 

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zoomFoto: Koch

Es sind zwölf, vielleicht dreizehn Meter zum Tor. Die Flugbahn des Balles ist leicht ansteigend, er fliegt jetzt noch schneller als nach Arnolds Flanke. Thorsten Bauer hat mit seinem Kopfstoß sein Tempo beschleunigt.

Es ist jetzt eine Sache von einer Sekunde vielleicht. Der Ball wird doch nicht wirklich? Oder? Oder? Aber doch, unglaublich: Er schlägt im linken, oberen Eck des Wehener Tores ein. Thorsten Bauer wunderbar, Thorsten Bauer Fußballgott.

Er liegt jetzt schon auf Rang zwei der Torschützenliste in der Regionalliga. Und hat seinen Vorschlag für das Tor des Monats abgegeben. „Ich hätte nichts dagegen, wenn die ARD es zeigen würde“, sagt er, als alle wissen wollten, wie das war mit diesem Tor.



Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion

Montag, 13. November 2006

 

EINZELKRITIK
Als Adler flog

Kaum Schwachstellen beim KSV.

Oliver Adler: Eine Szene zum Heulen vor dem 1:1 - und eine zum Hutziehen in der 64. Minute, als er flog und den Ball artistisch aus der Ecke fischte.

Jan Fießer: Diesmal in der Abwehrviererkette mit Drang nach vorne, aber auch mit Abspielfehlern.

Turgay Gölbasi: Als Innenverteidiger nicht ganz souverän.

Thorsten Schönewolf: Gerade als Innenverteidiger souverän.

Christoph Keim: Glückloser Auftritt. War vor dem 1:1 nicht aufmerksam, zudem verpufften seine Freistöße.

Daniel Beyer: Mister Selbstbewusstsein, wirbelte im rechten Mittelfeld.

Sebastian Busch: Wie immer - äußerst kampfstark.

Marc Arnold: Welch Comeback. Zwei Traumvorlagen, die zu Toren führten. Arnold hat Spaß gemacht.

Kim Schwager: Auf links nicht so wirkungsvoll wie gegen die Stuttgarter Kickers.

Thorsten Bauer: Er ist und bleibt der Fußballgott.

Cesar: Verdiente sich das Tor zum 3:3, weil er laufstark war und kämpfte.


Pascal Groß: Schoss den Freistoß vor dem 3:3 - seine größte Tat.

Tobias Oliev und Martin Wagner: Kamen jeweils nur zu einem Kurzeinsatz.

 

Von Florian Hagemann
HNA-Sportredaktion

Montag, 13. November 2006

 

 

Veröffentlicht: 13.11.2006

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Datum des Ausdrucks: 19.04.2024