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Die etwas andere Entlassung

Frankfurter Rundschau
Obwohl der FSV Frankfurt die Tabelle der Fußball-Oberliga souverän anführt, muss Trainer Kleppinger gehen
Man merkt Gerhard Kleppinger die Verbitterung deutlich an. Einfach ist es sicher nie, wenn man als Trainer den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommt. Aber als sportlich Verantwortlicher einer Mannschaft gekündigt zu bekommen, die zur Winterpause mit sechs Punkten Vorsprung die Tabelle der Fußball-Oberliga anführt, muss noch schmerzhafter sein. Für den 47-Jährigen, der am Montag als Trainer des FSV Frankfurt beurlaubt worden war und von Michael Blättel beerbt wird, ist die Entscheidung der Bornheimer Verantwortlichen denn auch nicht nachzuvollziehen. "Mein Auftrag war es, den FSV in die Regionalliga zu führen. Jeder wusste vorher, dass das schwer wird", sagte der geschasste Coach am Dienstag. "Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und kann die Torchancen nicht selber reinmachen. Für mich ist das eine große Enttäuschung. Ich hätte es gerne zu Ende gebracht."

Dass ihm die Mission Aufstieg gelungen wäre, hatten die Entscheidungsträger am Bornheimer Hang Kleppinger aber nicht mehr zugetraut. Nicht erst seit dem letzten Spiel vor der Winterpause in Ober-Roden, das der FSV nach desolater Leistung gewonnen hatte, müssen bei den Verantwortlichen die Alarmglocken geklingelt haben. Schon seit geraumer Zeit zeigte der Tabellenführer fürchterliche Kicks, ließ Spielfreude, Kampfeslust und vor allem jegliche Souveränität einer Spitzenmannschaft vermissen.

"Etwas stimmt nicht im Team"

"Wir waren in den vergangenen Wochen unzufrieden, wie sich die Mannschaft präsentiert hat. Wir haben das Ziel Aufstieg gefährdet gesehen", sagte FSV-Manager Bernd Reisig, der mahnt, die Tabellensituation unabhängig von der jetzigen Entscheidung zu sehen. "Wichtig ist, was wir gesehen haben. Und wir haben gesehen, dass etwas in der Mannschaft nicht stimmt." Kleppinger weist die Vorwürfe allerdings zurück. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen", sagt er, der die Bornheimer nach dieser Saison, wie er sagt, "so oder so verlassen hätte". Nichtsdestrotz ist Kleppinger, dem eine Anfrage aus der Regionalliga Süd vorliegt, davon überzeugt, dass dem FSV der Aufstieg gelingt. "Ich drücke jedenfalls beide Daumen."

Michael Blättel, der einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieb - der Kontrakt verlängert sich um ein Jahr bei einem Aufstieg in die Regionalliga -, soll der Mannschaft die zuletzt vermisste "Energie und Leidenschaft" (Reisig) zurückgeben. Von 1998 bis 2000 stand der Fußball-Lehrer bei den Bornheimern schon einmal unter Vertrag und rettete den Traditionsverein zunächst vor dem Abstieg aus der Regionalliga. In der Folgesaison schaffte er eigentlich erneut den Klassenerhalt, musste aber wegen eines Formfehlers, der mit dem Abzug von drei Punkten geahndet wurde, doch noch absteigen. Damals, im zweiten Regionalliga-Jahr, war Kleppinger übrigens Sportlicher Leiter, Michael Blättel Trainer und Bernd Reisig Präsident des FSV.

"Wir wissen um Blättels Fähigkeiten. Er ist akribisch, fleißig, legt Wert auf Disziplin, Leidenschaft und läuferischen Einsatz", sagt Reisig. Blättel hatte schon im Sommer auf der Wunschliste der Bornheimer gestanden, als diese einen Nachfolger für den erkrankten Niko Semlitsch gesucht hatten. Weil der 45-Jährige aber damals noch beim FSV Mainz 05 als Juniorentrainer unter Vertrag stand, habe man von einer Verpflichtung abgesehen, so Reisig.

Blättel ist indes voller Tatendrang: "Ich war hier zwei Jahre erfolgreich, der FSV ist mir ans Herz gewachsen. Wann bekommt man schon mal die Chance, einen Tabellenführer zu übernehmen?" Michael Blättel will den Konkurrenzkampf wieder entfachen, um das Optimum aus den Spielern herauszuholen. "Es fängt bei Null an", sagt er.

<b>KOMMENTAR</b>

Außenstehende werden die Entscheidungsträger beim FSV Frankfurt für verrückt erklären: Da entlassen sie in Gerhard Kleppinger den Trainer einer Mannschaft, die die Tabelle mit sechs Punkten Vorsprung anführt. Der Blick auf das Klassement ist aber nur die eine Betrachtungsweise, jener auf die Leistung des FSV in der Saisonphase vor der Winterpause die andere, aufschlussreichere. Leblos und ängstlich präsentierte sich der Fußball-Oberligist zuletzt, ließ jede Souveränität vermissen und bot eine Leistung, die kämpferisch wie spielerisch einem Offenbarungseid gleichkam. Dass die Bornheimer trotzdem die Tabelle seit dem zweiten Spieltag ununterbrochen anführen, haben sie auch der Schwäche der vermeintlichen Meisterschafts-Konkurrenten zu verdanken.

Doch so, wie sich die Konkurrenz am Ende fing, so instabil wurde der FSV, der schließlich nur noch mit Glück und zitternden Knien zu punkten wusste. Kleppinger wirkte dabei zunehmend ratlos. Den Eindruck, dass der Trainer der lethargischen Mannschaft neues Leben einhauchen könnte, hatte man zuletzt nicht mehr. Was noch zu Saisonbeginn, als der FSV mit einer Siegesserie einen Traumstart erwischt hatte, anders war. Als aber der Lauf ins Stocken geriet, machte der Trainer bei Personalentscheidungen keine gute Figur. Der eine oder andere Stammspieler, der sich auf dem Platz regelmäßige Fehltritte erlaubte, durfte dennoch immer wieder auflaufen. Dieses stoische Festhalten an umstrittenen Akteuren, offensichtlich um Konflikten aus dem Weg zu gehen, hat der Stimmung im Team nicht gut getan.

Einen Autoritätsverlust erlitt der Trainer aber nicht nur deshalb. Offenbar gab es schon seit längerem atmosphärische Störungen zwischen Kleppinger und Teilen des engeren Führungszirkels des FSV. Was auch der Mannschaft nicht entgangen sein dürfte, die am Ende nicht mehr bereit schien, alles für ihren Trainer zu tun. Kleppinger machte zuletzt einen zunehmend resignierten Eindruck. Die Entscheidung der FSV-Führung kam für ihn nicht überraschend. Freilich war sie unumgänglich, weil die Chemie zwischen dem Trainer auf der einen sowie der Führung und dem Team auf der anderen Seite einfach nicht mehr gestimmt hat.

VON ANNETTE SEITZ (Frankfurter Rundschau, 21.12.2005)

Veröffentlicht: 22.12.2005

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