„Bis zum Winter steht jeder auf dem Prüfstand”

Interview mit Matthias Hamann
Mit großen Erwartungen hatte Matthias Hamann seinen Job als Trainer des Fußball-Oberligisten KSV Hessen Kassel angetreten. 16 Spieltage später ist nach einer rasanten Berg- und Talfahrt seines Teams Ernüchterung beim Bruder des Nationalspielers Dietmar Hamann eingekehrt: Zehn Punkte trennen Kassel vom Tabellenführer FSV Frankfurt. Den müssen die Nordhessen im Spitzenspiel am Samstag schlagen, wollen sie noch eine Chance auf den Titel haben.
Frankfurter Rundschau: Herr Hamann, ist das Spitzenspiel gegen den FSV Frankfurt die letzte Chance für Kassel im Kampf um die Meisterschaft?

Matthias Hamann: Auf den ersten Blick sicherlich. Wir sind natürlich krasser Außenseiter, weil der FSV zehn Punkte vor uns liegt. Unser Bestreben wird sein, dem FSV so gut wie möglich Paroli zu bieten und durch einen Sieg das Rennen noch einmal spannend zu machen. Aber der FSV ist haushoher Favorit.

Frankfurter Rundschau: Worauf wird es am Samstag ankommen?

Matthias Hamann: Das wird eine Sache auf Augenhöhe, eine sehr knappe Angelegenheit.

Frankfurter Rundschau: Aber der FSV hat in den letzten Spielen auch nicht überzeugt.

Matthias Hamann: Die aktuelle Form ist nicht die beste, aber wir sind auch noch großen Schwankungen unterworfen.

Frankfurter Rundschau: Wo liegen die Ursachen für diese Leistungsschwankungen Ihres Teams?

Matthias Hamann: Wir haben das Problem, dass wir nach zwei, drei Siegen zu schnell zufrieden sind und dann versuchen, mit spielerischen Mitteln die Punkte zu holen. Das ist aber in der Oberliga nicht möglich. Man muss erst die physische Komponente ausspielen und die Zweikämpfe aggressiv suchen. Dann erst wird sich unsere spielerische Klasse durchsetzen.

Frankfurter Rundschau: Haben Sie sich denn die Aufgabe einfacher vorgestellt?

Matthias Hamann: Nein, auf keinen Fall. Das ist ja eine Liga, in der die Spieler eine gewisse Qualität haben und in der auch auf gewisse taktische Finessen der Trainer Acht gegeben werden muss. Somit ist das sicherlich ein guter Lernprozess. Ich denke, dass der bei mir und der Mannschaft in den letzten Wochen auch abgeschlossen worden ist. Die Mannschaft hat es kapiert. Sie wurden auch letzte Woche noch einmal vom Vorsitzenden Jens Rose ins Gebet genommen, dass es nur über Kampf, absolute Hingabe und Leidenschaft geht. Trotzdem werden wir ganz genau schauen, wer sich zurücklehnt und nach einem guten Spiel wieder weniger macht. Da werden wir sofort Konsequenzen ziehen.

Frankfurter Rundschau: Also jeder, der sich im Training anbieten, hat auch die Chance dabei zu sein?

Matthias Hamann: Absolut. Die sich am Besten präsentieren, mit dem meisten Mumm, Aggressivität und Willen, das Spiel gewinnen zu wollen, die werden am Samstag auflaufen, egal wie das letzte Spiel gelaufen ist.

Frankfurter Rundschau: Kassel hat ein erwartungsvolles Umfeld. Spüren Sie den Druck von außen?

Matthias Hamann: Den Druck machen wir uns selbst, den habe ich vom Präsidium bekommen, mit der Vorgabe, aufsteigen zu wollen. Damit müssen wir leben. Aber natürlich sieht man auch, wo es noch hapert und wo wir an den Stellschrauben nachziehen müssen. Und das werden wir, wenn nicht im Winter, spätestens im Frühjahr tun, um dann, wenn es nicht klappen sollte, nächstes Jahr so stabil zu spielen wie der FSV derzeit.

Frankfurter Rundschau: Also wird es Verstärkungen geben?

Matthias Hamann: Wir haben immer von der Zielkadergröße 18 gesprochen - da sind wir noch nicht. Wir haben zwei, drei Kandidaten, die sich im Winter verabschieden möchten. Es wird sicher ein, zwei geben, die aufgrund ihrer Situation den Verein wechseln möchten oder nur noch für die Zweite Mannschaft zur Verfügung stehen. Wir werden auch auf die Leistung und den fußballerischen Charakter schauen. Und, wenn wir dann bei 14,15 oder 16 sind, werden wir natürlich im Winter noch etwas machen.

Frankfurter Rundschau: Wer wird die Mannschaft verlassen?

Matthias Hamann: Bis zum Winter steht jeder auf dem Prüfstand. Nach dem letzten Spiel am 10. Dezember werden wir einen Strich drunter machen bei jedem, Pro und Contra abwägen und dann entsprechende Konsequenzen ziehen.

Interview: Annette Seitz (Frankfurter Rundschau, 09.11.2005)

Veröffentlicht: 09.11.2005

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Datum des Ausdrucks: 19.04.2024