"Gott wollte mich noch nicht"

BENEZIZSPIEL IN LEIPZIG
Er war dabei. Er hat den Tsunami erlebt, die Angst und die Schmerzen, das unvorstellbare Leid und die Solidarität. Uli Thomale ist dankbar, dass er noch da ist, dass er wieder laufen kann.
Am Sonntag, beim Flutopfer-Benefizkick für elf Waisenkinder in Sri Lanka, darf er sitzen. Auf der Trainerbank im Plache-Stadion, wenn seine ehemaligen Vereine 1. FC Lok Leipzig und KSV Hessen Kassel um 16 Uhr aufeinander treffen. Die einen führte er 1987 ins Europacup-Finale, die anderen 1991 zum Oberliga-Meistertitel. "Leipzig ist meine Heimat, Kassel mein Zuhause", sagt er, "für mich ist es Herzenssache, zum Spiel zu kommen."

Mit seiner Frau Regine hatte er Urlaub in Thailand gemacht. Am 26. Dezember spazierten sie den Strand entlang, als es geschah. "Wir wurden von hinten abgeschossen, ohne Vorwarnung." Die erste Welle war nur kniehoch, aber ungeheuer schnell, riss beide von den Beinen und ins Meer. Die zweite Welle war gigantisch. "Ich wurde unter Wasser gedrückt, dachte, ich komme nie mehr hoch. Es hieß Ersticken oder mit letzter Kraft kämpfen."

Irgendwie schaffte er es, halb erdrückt von Geröllmassen, ein paar Meter zu einer höheren Stelle zu paddeln und um Hilfe zu rufen. Dann wurde er ohnmächtig. Jemand trug ihn an Land, "es waren wohl Schweden". Im Pukhet Hospital wachte er wieder auf. Mit Rippenbrüchen, offenen Knien und Schienbeinen, unzähligen Prellungen. "Normalerweise überlebst du das nicht, aber der liebe Gott hat mich noch nicht gewollt", scherzt er heute, "wahrscheinlich hatte der schon einen Trainer."

Die Ärzte kämpften um seine Beine, später wurden Hauttransplantationen nötig. "Ich war oft unter Narkose, das war das Beste vom Tag, da konnte ich den höllischen Schmerzen und der Verzweiflung kurz entfliehen." Denn für seine Frau befürchtete Uli Thomale das Schlimmste. Zwei Tage lang suchte er sie vergeblich auf Krankenhauslisten, bis ein ähnlich klingender Name auftauchte. Er ließ nachforschen, hatte Glück. Sie wurde von einer Landklinik in sein besser ausgestattetes Hospital gebracht, lag mit Lungenquetschung, Beckenbruch und Fleischwunden auf der Intensivstation. Er durfte sie sehen, war seelig.

"Die Thais haben getan, was möglich war, ich habe großen Respekt", sagt er und schwärmt auch von der Unterstützung der Mitbetroffenen. Eine dänische Familie kaufte ihm eine Lesebrille, ein Schweizer schenkte ihm Geld. "Das hat mich sehr berührt." Er wurde nach Bangkok ausgeflogen und am 3. Januar mit einer Bundeswehrmaschine nach Deutschland. Sieben Wochen in einem Kölner Krankenhaus folgten, zusammen mit seiner Frau. Sie ist noch heute in einer Reha-Klinik, muss wieder laufen lernen, wird viel Zeit brauchen. Uli Thomale aber geht es ganz gut. "Bald will ich wieder Joggen und Fußballspielen können", nennt der 60-Jährige seine Nahziele, "und weil ich mich noch nicht als Rentner fühle, möchte ich im Sommer wieder irgendwas machen.

"Am liebsten etwas mit Fußball. Viele seiner ehemaligen Spieler, viele Kollegen und Freunde haben angerufen oder geschrieben, ihm Mut zugesprochen. Aus Leipzig, aus Kassel, aus Graz. René Müller und Heiko Scholz besuchten ihn im Krankenhaus, auch ein Vertreter des Dresdner SC, bei dem er einst kickte, fuhr nach Köln. "Das war alles sehr wohltuend, ich bin ja oft ein unbequemer Mensch gewesen." Am Sonntag wird er eine Menge alte Bekannte treffen.

Auch die Baum, Liebers, Edmond & Co., mit denen er bei Lok seine größten Erfolge feierte. Doch Uli Thomale weiß inzwischen, dass es Wichtigeres gibt als Fußball. Es hat ihn sehr gefreut, dass die Deutschen hunderte Millionen Euro für die Flutopfer gespendet haben.

Und er hofft, dass am Sonntag viele Fans ins Plache-Stadion kommen und mit fünf Euro Eintritt etwas von dem Leid lindern helfen, das er gesehen hat.

<i>Von Steffen Enigk, 17.03.05

Quelle Leipziger Volkszeitung </i>

Veröffentlicht: 17.03.2005

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Datum des Ausdrucks: 19.04.2024