Vorab: Ich bin ein typischer Gelegenheitszuschauer, gehe vielleicht 2x im Jahr zu den Löwen. Dass es nicht häufiger klappt, hat verschiedene Gründe. Ich wohne nicht mehr in Kassel, habe einen ziemlich straffen Terminplan und wenn ich dann mal frei habe, überlegt man sich stets, wie man die kostbare Freizeit nutzt. Trotzdem verfolge ich das Geschehen rund um den KSV intensiv. Täglich checke ich hna.de, Löwen-Website und das Forum, was es Neues gibt und hing bei fast allen Spielen vor dem Ticker bzw. neuerdings vor dem Liveradio (dafür ein fettes Lob an die Macher!

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KSV-sozialisiert wurde ich, wie so viele andere wahrscheinlich auch, Ende der 80er Jahre. Als kleiner Knirps habe ich zu Oberliga Hessen-Zeiten gebannt vor dem Videotext mitgefiebert, großartige Siege (gab's in dem Spieljahr nicht auch ein 8:0 gegen Hermannia Kassel?) enthusiastisch vor dem Teletext des elterlichen Fernsehers gefeiert, ohne die Löwen bis dato live spielen gesehen zu haben. Damals habe ich jeden HNA-Artikel über die Löwen ausgeschnitten und feinsäuberlich in meinem Kinderzimmer archiviert. Dann kam die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Und endlich! Mein Vater zeigte Erbarmen mit mir, steckte mich ins Auto und wir fuhren in die nordhessische Metropole Kassel, die in meinen Kinderaugen riesengroß wirkte. SpVgg Unterhaching, SSV Reutlingen und SV Edenkoben hießen die Gegner. Wir schauten uns alle Heimspiele an und bejubelten am Ende die letztmalige Rückkehr des KSV in den bezahlten Fußball. Lothar Sippel und Dieter Hecking schossen uns damals Richtung 2. Liga. Sippel ging dann für 250.000 D-Mark zur Frankfurter Eintracht in die Erste Bundesliga. In der Saison 89/90 waren wir dann auch noch einige Male da. Besonders in Erinnerung ist mir das 2:5 gegen den SC Freiburg, als es zwei Elfmeter für den KSV gab, die beide Hecking trat. Den ersten verwandelte er, den zweiten dämmelte er Richtung Klubhaus. Das mit Abstand positivste Erlebnis in dieser Spielzeit war aber der grandiose Sieg über den Topfavoriten auf den Aufstieg, den FC Schalke 04. Angereist mit Betreuerunikum Charly Neumann, eigenem Fanmobil, massig Anhang und dem jungen Jens Lehmann im Tor, ließen die Löwen den Gelsenkirchenern die Luft aus den „Aufstiegsraketen“, die gefühlt jeder zweite Schalker mit sich trug. Zum Verbleib in Liga 2 hat’s am Ende leider haarscharf nicht gereicht, und so hieß es wieder zurück in die Oberliga-Tristesse. Dort wieder Meister. Aufstiegsrunde. Hessenlöwen gegen Münchner Löwen. Proppevolles Stadion. Gesehen habe ich leider nicht all zu viel vom Spiel, was angesichts meiner damaligen Körpergröße in der dicht gedrängten Nordkurve nicht wirklich verwunderlich und ob des leidigen Ergebnisses vielleicht auch besser war. Sehr gute früheste Erinnerungen habe ich auch noch an die 0:2-Niederlage in der Oberliga Hessen gegen die Offenbacher Kickers, müsste 92 gewesen sein. Und natürlich das Viertelfinale im DFB-Pokal, in dem wir gegen Werder Bremen mit 0:2 ausgeschieden sind. Damals habe ich zum ersten und leider einzigen Male ein ausverkauftes Auestadion erlebt. Ein so breites Portfolio an Fanartikeln, wie es heute üblich ist, gab es damals auch noch nicht. Wenn ich mich recht erinnere, gab es einzig am Eingang zur Nordkurve einen Menschen, der auf einem Tapeziertisch, den er vor seinen Wagen gestellt hatte, ein wenig Merchandising anbot. Den KSV-Kapuzenpulli, das rotweiße Schweißband mit KSV Hessen Kassel-Aufdruck, der mittlerweile fast nicht mehr zu lesen ist, und den Aufnäher, habe ich noch heute. In Ermangelung echter KSV-Fanartikel habe ich mir damals ein weißes T-Shirt und einen Edding genommen und mir in kindlich-liebevoller Kleinarbeit ein Löwen 88-Trikot selbst gestaltet. Schöne Erinnerungen! Mit dem KSV ging es dann langsam aber sicher abwärts, auf den ersten Konkurs folgte der FC Hessen. Nachdem aus dem schönen KSV-Schwan das hässliche FC-Entlein geworden war, verfolgte ich den Werdegang der Löwen nur noch aus der Ferne. Trotzdem war ich emotional auf’s Tiefste berührt, als bald darauf endgültig die Lichter bei den Löwen ausgingen und der Klub aus dem Vereinsregister gelöscht wurde. Den Neuanfang unter Holger Brück habe ich ebenfalls nur aus der Ferne, aber trotzdem intensiv und mit viel Wohlwollen via HNA und Internet verfolgt. Freunde, die wussten, dass ich ein „verhinderter“ KSV-Fan war, schenkten mir damals das Buch „Die Legende lebt“. Ein grandioses Werk, in das ich von Zeit zu Zeit immer mal wieder reinschaue. Als die Löwen dann wieder vom G-Platz in ihre angestammte Heimat ins Auestadion umzogen, kam auch ich wieder von Zeit zu Zeit ins Auestadion. Als Rosinenpicker. Ich ging nur zu den Top-Spielen, weil es zum einen einigen Aufwands bedurfte, die Spiele zu besuchen und man andererseits sowieso das Gefühl hatte, dass es bei den Löwen stetig bergauf ginge. Momentan ist das leider anders.
Morgen fahre ich wieder nach Kassel. Um die Geschäftsstelle zu besuchen. Ich werde dort zwei Tickets für das Spiel gegen die „Anti-Rosine“ Pfullendorf und ein Trikot, das ich eigentlich gar nicht brauche, erwerben. Ich habe momentan das Gefühl, dass es an der Zeit ist, dem KSV etwas zurück zu geben. Jetzt erst recht!