Re: Enthauptung eines Fußballgottes
Verfasst: 21. Jun 2011, 14:20
Über das sportliche lässt sich streiten:
Die Leitung plant aus sportlichen Gründen nicht mehr mit TB. Ich kenne das System-Hock nicht und sehe bisher nur einige Hinweise, die darauf deuten lassen, dass er auf der Grundlage einer stabilen Defensive um einige wenige erfahrene Spieler eine junge hungrige Mannschaft aufbauen will. Die Tatsache, dass mit Pforr und Co verlängert wird, zeigt, dass Hock die Bereitschaft hat auf Kipping weitere Leute aus dem eigenen Unterbau in die erste Mannschaft folgen zu lassen. All das finde ich sympatisch, wenn es auch nicht Euphorie bei mir auslöst. Thorsten Bauer wurde in seinen 9 Jahren vier Mal Torschützenkönig seiner Klasse. Im letzten Jahr netzte er nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit ein seiner besten Tage, traf aber in jedem dritten Spiel. Von seinen 30 Spielen spielte er nur sechs durch. Seine RL Tauglichkeit steht damit für mich außer Frage. Ob der Mensch TB nun in das System passt oder nicht, ist eine Streitfrage wo es auf beiden Seiten Argumente gibt. Meiner Ansicht nach sprechen mehr für Bauer.
Über den respektlosen Umgang lässt sich nicht streiten:
Einen Spieler wie Thorsten Bauer in den eigenen Reihen zu wissen ist für jeden Fußballverrückten ein Segen. Deshalb bin ich selber sehr betroffen bis wütend, vor allem wegen der Art und Weise, wie in Kassel die Verabschiedung eingeleitet wird. Hier geht es nicht schlichtweg um jemanden der sich für den Verein verdient gemacht hat. Wo gibt es denn noch eine Spielerbiographie, wo der Balljunge zum Publikumsliebling avanciert, immer wieder entscheidende Tore schießt und über neun Jahre dem Verein die Treue hält, obwohl er zwischenzeitlich bei Mannschaften wie Kaiserslautern im Gespräch war? Was für Kaiserslautern Fritz Walter war, was für den HSV Uwe Seeler war, dass ist für den KSV nach der Neugründung Thorsten Bauer und diese Parallele ist mein voller Ernst. Bei erstgenannten wurden über Jahrzehnte die Tugenden dieser Spieler als identitätsstiftendes Moment für die Zuschauer und als Vorbild für junge Spieler konserviert, in Kassel scheint man diese Chance zu verspielen und das in einer Situation, wo das Umfeld mehr Identität vertragen könnte.
Der Kommentar in der HNA trifft den Nagel auf den Kopf. Jeder andere Verein hätte die Nachricht, dass die Zeit eines Idols abgelaufen ist mindestens verknüpft mit einer respektvollen, symbolhaften Würdigung: Rückennummer nicht vergeben, Thorsten Bauer Sonder-Trikot, TB-Kollektion, Stadionvorplatz umbenennen… Lediglich ein „Abschiedspiel“ vorzuschlagen ist wirklich eine Farce und ist durch Einfallslosigkeit und Lustlosigkeit kaum zu überbieten. Die knappe Homepagemeldung ist zudem eine handfeste Beleidung. Nicht mal 10 Fotos aus seine Laufbahn wurden herausgekramt geschweige denn mal ein ordentliche Video-Zusammenschnitt.
Vor allem aber hätte man sich nach Kräften bemühen müssen eine einvernehmliche Lösung zu finden. Den Eindruck macht die ganze Geschichte aber nicht. Es scheint fast so als hätte gegen Ende der abgelaufenen Saison Bauer die Nachricht wie jeder andere erhalten, dann war Urlaub angesagt und zum Trainingsauftakt wird Bauer mit der Wirkungsmächtigkeit der Entscheidung der sportlichen Leitung zum ersten Mal konfrontiert und muss sich unangenehmen Fragen der Presse stellen.
Mitschuld Bauers?
Hier wurde mehrfach darauf hingewiesen (u.a. Axel), dass auch TB zu der Stimmungslage im Frühjahr beigetragen habe und damit eine Mitschuld an dem Stil seines Rauswurfs trägt. Diese Annahme beruht ausschließlich auf Spekulationen, sollte uns aber zum Nachdenken bringen. Dann spekulieren wir mal: Eine denkbare Variante ist, dass Thorsten Bauer auf der Tribüne landete, weil er sich in einer für den Verein kritischen Situation gegen den Trainer positionierte. Damit trug er mit dazu bei, dass sich Grüppchen gebildet haben und dass der Teamspirit nachließ. Im schlimmsten Fall hat er sich sogar was Form und Inhalt anlangt im Ton vergriffen und wurde deshalb von den Verantwortlichen nicht ganz zu Unrecht als Stinkstiefel auserkoren. (Eine andere Variante wäre übrigens, dass Bauer als einer der wenigen den Mumm gehabt hat, unliebsame Wahrheiten auszusprechen…) Selbst wenn wir aber vom „worst case“ Szenario ausgehen rechtfertigt das in meinen Augen nicht den unwürdigen Umgang mit Bauer, sondern legt davon Zeugnis ab, dass es der sportlichen Leitung – und das ist nun mal ihre Aufgabe – massiv an Integrationsfähigkeit mangelt. Dafür spricht auch, dass innerhalb von wenigen Jahren bereits zum zweiten Mal ein Kader implodiert. Jemanden zu Verbannen ist immer das letzte Mittel. Es macht den Anschein, dass andere integrationsstiftende Maßnahmen nicht stattfanden und in dem Handwerkszeug der Leitung nicht vorhanden sind.
Mit der Entlassung Bauers wird ein weiterer Meilenstein gesetzt in die Richtung einer Vereinskultur, die mir hochgradig zu wider läuft und mit dem Verein der Neugründung wenig zu tun hat. Was heißt das für mich? Ich kann nicht anders, als ins Auestadion zu gehen. Auch ich werde den Saisonstart distanziert wie nie betrachten und werde zum ersten Mal seit vielen Jahren aus Symbolgründen auf eine Dauerkarte verzichten. Das werde ich den Verein in einem Anschreiben wissen lassen.
Ein Neuanfang ist kein Selbstzweck und er geschieht bestenfalls nur halb
Nach der abgelaufenen Saison ist sicher ein Neuanfang nötig. Er ist aber kein Selbstzweck. Ein Neuanfang kann auch in die falsche Richtung gehen. Um das zu beurteilen, ist es sicher zu früh. Wo offensichtlich kein Neuanfang gemacht wird ist in dem Stil wie Vereinspolitik betrieben wird. Das war nach der JHV nicht anders zu erwarten und macht mich betroffen. Das eigentlich provinzielle an Kassel ist aber der Mangel an Alternativen und dass sich aus der kritischen Masse die sich mittlerweile auch hier findet kein konstruktives Korrektiv entwickelt hat, was zu mehr in der Lage ist als von außen zu meckern und dadurch ein bisschen korrigiert…
Die Leitung plant aus sportlichen Gründen nicht mehr mit TB. Ich kenne das System-Hock nicht und sehe bisher nur einige Hinweise, die darauf deuten lassen, dass er auf der Grundlage einer stabilen Defensive um einige wenige erfahrene Spieler eine junge hungrige Mannschaft aufbauen will. Die Tatsache, dass mit Pforr und Co verlängert wird, zeigt, dass Hock die Bereitschaft hat auf Kipping weitere Leute aus dem eigenen Unterbau in die erste Mannschaft folgen zu lassen. All das finde ich sympatisch, wenn es auch nicht Euphorie bei mir auslöst. Thorsten Bauer wurde in seinen 9 Jahren vier Mal Torschützenkönig seiner Klasse. Im letzten Jahr netzte er nicht mehr mit der Selbstverständlichkeit ein seiner besten Tage, traf aber in jedem dritten Spiel. Von seinen 30 Spielen spielte er nur sechs durch. Seine RL Tauglichkeit steht damit für mich außer Frage. Ob der Mensch TB nun in das System passt oder nicht, ist eine Streitfrage wo es auf beiden Seiten Argumente gibt. Meiner Ansicht nach sprechen mehr für Bauer.
Über den respektlosen Umgang lässt sich nicht streiten:
Einen Spieler wie Thorsten Bauer in den eigenen Reihen zu wissen ist für jeden Fußballverrückten ein Segen. Deshalb bin ich selber sehr betroffen bis wütend, vor allem wegen der Art und Weise, wie in Kassel die Verabschiedung eingeleitet wird. Hier geht es nicht schlichtweg um jemanden der sich für den Verein verdient gemacht hat. Wo gibt es denn noch eine Spielerbiographie, wo der Balljunge zum Publikumsliebling avanciert, immer wieder entscheidende Tore schießt und über neun Jahre dem Verein die Treue hält, obwohl er zwischenzeitlich bei Mannschaften wie Kaiserslautern im Gespräch war? Was für Kaiserslautern Fritz Walter war, was für den HSV Uwe Seeler war, dass ist für den KSV nach der Neugründung Thorsten Bauer und diese Parallele ist mein voller Ernst. Bei erstgenannten wurden über Jahrzehnte die Tugenden dieser Spieler als identitätsstiftendes Moment für die Zuschauer und als Vorbild für junge Spieler konserviert, in Kassel scheint man diese Chance zu verspielen und das in einer Situation, wo das Umfeld mehr Identität vertragen könnte.
Der Kommentar in der HNA trifft den Nagel auf den Kopf. Jeder andere Verein hätte die Nachricht, dass die Zeit eines Idols abgelaufen ist mindestens verknüpft mit einer respektvollen, symbolhaften Würdigung: Rückennummer nicht vergeben, Thorsten Bauer Sonder-Trikot, TB-Kollektion, Stadionvorplatz umbenennen… Lediglich ein „Abschiedspiel“ vorzuschlagen ist wirklich eine Farce und ist durch Einfallslosigkeit und Lustlosigkeit kaum zu überbieten. Die knappe Homepagemeldung ist zudem eine handfeste Beleidung. Nicht mal 10 Fotos aus seine Laufbahn wurden herausgekramt geschweige denn mal ein ordentliche Video-Zusammenschnitt.
Vor allem aber hätte man sich nach Kräften bemühen müssen eine einvernehmliche Lösung zu finden. Den Eindruck macht die ganze Geschichte aber nicht. Es scheint fast so als hätte gegen Ende der abgelaufenen Saison Bauer die Nachricht wie jeder andere erhalten, dann war Urlaub angesagt und zum Trainingsauftakt wird Bauer mit der Wirkungsmächtigkeit der Entscheidung der sportlichen Leitung zum ersten Mal konfrontiert und muss sich unangenehmen Fragen der Presse stellen.
Mitschuld Bauers?
Hier wurde mehrfach darauf hingewiesen (u.a. Axel), dass auch TB zu der Stimmungslage im Frühjahr beigetragen habe und damit eine Mitschuld an dem Stil seines Rauswurfs trägt. Diese Annahme beruht ausschließlich auf Spekulationen, sollte uns aber zum Nachdenken bringen. Dann spekulieren wir mal: Eine denkbare Variante ist, dass Thorsten Bauer auf der Tribüne landete, weil er sich in einer für den Verein kritischen Situation gegen den Trainer positionierte. Damit trug er mit dazu bei, dass sich Grüppchen gebildet haben und dass der Teamspirit nachließ. Im schlimmsten Fall hat er sich sogar was Form und Inhalt anlangt im Ton vergriffen und wurde deshalb von den Verantwortlichen nicht ganz zu Unrecht als Stinkstiefel auserkoren. (Eine andere Variante wäre übrigens, dass Bauer als einer der wenigen den Mumm gehabt hat, unliebsame Wahrheiten auszusprechen…) Selbst wenn wir aber vom „worst case“ Szenario ausgehen rechtfertigt das in meinen Augen nicht den unwürdigen Umgang mit Bauer, sondern legt davon Zeugnis ab, dass es der sportlichen Leitung – und das ist nun mal ihre Aufgabe – massiv an Integrationsfähigkeit mangelt. Dafür spricht auch, dass innerhalb von wenigen Jahren bereits zum zweiten Mal ein Kader implodiert. Jemanden zu Verbannen ist immer das letzte Mittel. Es macht den Anschein, dass andere integrationsstiftende Maßnahmen nicht stattfanden und in dem Handwerkszeug der Leitung nicht vorhanden sind.
Mit der Entlassung Bauers wird ein weiterer Meilenstein gesetzt in die Richtung einer Vereinskultur, die mir hochgradig zu wider läuft und mit dem Verein der Neugründung wenig zu tun hat. Was heißt das für mich? Ich kann nicht anders, als ins Auestadion zu gehen. Auch ich werde den Saisonstart distanziert wie nie betrachten und werde zum ersten Mal seit vielen Jahren aus Symbolgründen auf eine Dauerkarte verzichten. Das werde ich den Verein in einem Anschreiben wissen lassen.
Ein Neuanfang ist kein Selbstzweck und er geschieht bestenfalls nur halb
Nach der abgelaufenen Saison ist sicher ein Neuanfang nötig. Er ist aber kein Selbstzweck. Ein Neuanfang kann auch in die falsche Richtung gehen. Um das zu beurteilen, ist es sicher zu früh. Wo offensichtlich kein Neuanfang gemacht wird ist in dem Stil wie Vereinspolitik betrieben wird. Das war nach der JHV nicht anders zu erwarten und macht mich betroffen. Das eigentlich provinzielle an Kassel ist aber der Mangel an Alternativen und dass sich aus der kritischen Masse die sich mittlerweile auch hier findet kein konstruktives Korrektiv entwickelt hat, was zu mehr in der Lage ist als von außen zu meckern und dadurch ein bisschen korrigiert…